© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

Eine marineblaue Woge, die das Land beben läßt
Präsidentschaftswahl in Frankreich: Marine Le Pen war der Star der ersten Wahlrunde / Angeschlagener Sarkozy buhlt um FN-Anhänger
Norbert Breuer-Pyroth

Wer am Sonntag abend dem Radiosender „France Inter“ lauschte, hätte annehmen können, Marine Le Pen habe den Sieg davongetragen. Ihrem überraschend guten Ergebnis, das die Demoskopen Lügen strafte, war der Abend primär gewidmet – zumal zunächst von 20 Prozent für ihren Front National die Rede war, die tags darauf auf 17,9 Prozent aktualisiert wurden.

„Wir sitzen jetzt am Tisch der Eliten. Das ist der Beginn eines Zusammenschlusses von rechten und linken Patrioten. Die Schlacht um Frankreich hat gerade erst begonnen, nichts wird mehr sein wie zuvor – wir sind die marineblaue Woge, die Frankreich beben läßt“, triumphierte die Chefin des rechten Front National. Etliche Kommentatoren hingegen gaben sich ob des Stimmenzuwachses gegenüber 2007, als Vater Jean-Marie 11,4 Prozent erreichte, schockiert.

Nach einjährigem Kampf ist die erste Schlacht um die Wählergunst geschlagen. Hollande (28,6 Prozent) und Sarkozy (27,2) schafften es leicht in die Endrunde. Doch Ruhe ist den beiden gleichaltrigen Kombattanten nicht vergönnt: Sozialist Hollande hat mit nur sehr geringen 1,45 Prozent Vorsprung eine psychologisch wichtige Schlacht gewonnen, den Krieg aber noch nicht. „Ein großer Sieg“ sei errungen, ließ er sich dennoch vernehmen, und: „Am 6. Mai will ich einen schönen Sieg!“

Präsident Sarkozys erste Amtszeit war den Franzosen wenig Dank wert – eine schlechte Bilanz werfen sie ihm vor. Für viele hätte sie den sozialen Abstieg bedeutet. Sozialistenchefin Aubry will aus dem hauchdünnen Ergebnis gar eine „schreckliche Ablehnung“ herausgelesen haben. Der Präsident selbst trat erst um 21.40 Uhr vor seine Anhänger und gab sich unverzagt: „Ich kenne die Ängste und Leiden der Franzosen“, als welche er die Frage offener Grenzen, Firmenverlagerungen und die Meisterung der Einwanderung erspürt zu haben glaubt. „Es handelt sich nun darum, denjenigen zu bestimmen, der die Verantwortung für unser Land übernimmt und es während der kommenden fünf Jahre schützen wird.“

Frühaufsteher François Bayrou (9,1 Prozent) von der bürgerlich-liberalen „Demokratie-Bewegung“ war um 8.40 Uhr der erste Kandidat an der Urne. Genutzt hat es ihm wenig, er blieb weit hinter seinem Ergebnis von 2007 zurück. Bestanden bei ihm – dem zuvor als „Königsmacher“ gehandelten – kaum Zweifel, wen er gewählt haben mag, so traf dies auf die restlichen Franzosen weit weniger zu. Zumal jeder zweite Franzose seine Wahlabsicht im letzten Halbjahr geändert haben soll. Die Prognosen für die beiden Favoriten widersprachen sich denn auch jeden Tag – jedoch nicht darin, daß es ein Foto-Finish geben werde.

Wenn man nun vor Wahlrunde eins schon nahezu gewiß sein konnte, wer auf dem Siegertreppchen stehen werde, hätte eine gepflegte Langeweile aufkeimen können. Die Wahlbeteiligung jedoch sprach gar nicht für einen müden Aufgalopp: Mehr als 80 Prozent zeigten, daß Frankreich politisch aufgewühlt ist.

„Les petits candidats“ sind nun ausgeschieden. Wobei die Medien uneins sind, unter welcher Meßlatte man durchfallen müsse, um ein solch Kleiner zu sein. Der wortgewaltige Jean-Luc Mélenchon von der Linksfront konnte Le Pen jedenfalls nicht gefährden, erklomm er doch mit 11,1 Prozent nur Rang vier. Weit abgeschlagen kam Eva Joly (2,3 Prozent) für die Grünen als sechste ins Ziel.

Allez hop – auf zum Finale am 6. Mai, lautet nun die Devise. Im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern Chirac und Mitterrand, die bei zwei Präsidentschaftswahlen nacheinander in der Stichwahl obsiegten, muß Sarkozy zwar fürchten, daß ihm soviel Glück nicht zuteil wird. Ihm bleibt allerdings die Hoffnung, die Wähler Le Pens und Bayrous großteils für sich gewinnen zu können. Von Le Pens Anhängerschaft konnten sich einige Stunden nach der ersten Runde schon 60 Prozent vorstellen, für Sarkozy zu votieren. Florian Philippot, Wahlkampfleiter des Front National, sieht dies überaus ungern und kündigte an, man werde Sarkozy nicht unterstützen, „der sei schon erledigt“.

Sarkozy dagegen, der anwaltsgeschulte Redner und gewiefte Wahl-Duellant, setzt auf drei TV-Rededuelle mit Hollande, die dieser jedoch zurückweist: Er komme nur einmal, egal wie lange es dauere. Hollande und seine Getreuen wissen sehr wohl um dessen hölzerne Sprechweise und seine oft doch zu blasse Präsenz. Eine deftige Niederlage im Disput mit dem stimmlich präsidial-sonoren Sarkozy könnte ihn in der „zweiten Runde den Sieg kosten, denn Franzosen legen Wert auf Eloquenz.

„Das Spiel ist offen“, beteuert ein Wahlkampfmanager Sarkozys und verspricht einen „entfesselten“ Wahlkampf. Hinzu kommt: In der ersten Runde wählen die Franzosen gerne protestierend, in der zweiten gemeinhin staatstragend.

Foto: Front-National-Chefin Marine Le Pen feiert ihr gutes Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl: „Wir sitzen jetzt am Tisch der Eliten“

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