© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

Grüße aus Athen
Alle reden über Politik
Panayotis Doumas

Nur wenig Feuerwerk an den Kirchen. Eher betretenes, stimmungsloses Grillen eines Lamms am Spieß am Elternhaus in der Provinz. Das orthodoxe Osterfest am 15./16. April war das ruhigste seit langem. Jede Familie ist verschuldet. Es gibt nur sehr wenige, die beim Finanzamt nicht mit mindestens Tausenden von Euro in der Kreide stehen. Depression ist das Wort, das am besten die Stimmung in Athen beschreiben könnte.

Entsprechend ruhig sieht der Syntagma-Platz aus. Er erholt sich immer noch von der Katastrophe des 12. Februar, als in Athen nach der Verabschiedung des neuen Sparpakets Banken und Hotels brannten. Es scheint, als warte der Hauptplatz vor dem Parlament auf die nächsten Unruhen im kommenden Juni. Denn da sollen die nächsten neuen Sparmaßnahmen angekündigt werden.

Doch davor sind am 6. Mai erst einmal Parlamentswahlen angesetzt. Und welch Wunder, die Mehrheit der Griechen freut sich, Umfragen zufolge, auf die Wahl.

Kurzweilige Ablenkung, ja Abwendung von der Politik ist nicht gefragt. In den vielen Cafés wird an beinah jedem Tisch debattiert. Alle reden von Politik, und ein sehr hoher Prozentsatz will sich an der Wahl beteiligen. Dabei gerät jedoch alles aus den Fugen. Umfragen verkehren sich von Woche zu Woche ins Gegenteil. Parlamentarier wechseln ohne großes Zögern von einer Partei zur anderen. Ideologien werden über Bord geworfen, und es kommt zu den merkwürdigsten Kooperationen zwischen den politischen Blöcken. Hauptsache, man wahrt seine Chance, wiedergewählt zu werden.

Das politische System wird auf den Kopf gestellt. Gewinner sind die radikalen linken wie rechten Kräfte. Die politische Mitte ist wenig gefragt. Entsprechend vollzog die bis dato eher konservativ-liberale Nea Dimokratia einen Rechtsschwenk. Seit Wochen spricht sie ungeschminkt von nationalen Interessen und propagiert die zügige Ausweisung der illegalen Einwanderer. Sie hat damit auf der einen Seite zumindest bescheidenen Erfolg. Denn ND liegt mit knapp 25 Prozent an der Spitze der Umfragen. Gefolgt von der sozialistischen Pasok (19,1 Prozent). Auf der anderen Seit ist es schon auffällig, daß sich kaum noch illegale Einwanderer in Athens Stadtmitte aufhalten. Noch vor Wochen tummelten sich hier die illegalen afrikanischen Einwanderer, die Immunität des Syntagma-Platzes ausnutzend, um ihre Imitationen an den Mann zu bringen.

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