© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

„Lumpen im Windschatten der Feindpresse“
Deutsche Burschenschaft: Im Streit um Äußerungen des Schriftleiters der „Burschenschaftlichen Blätter“ zu Dietrich Bonhoeffer ermittelt die Staatsanwaltschaft
Christian Vollradt

Aus dem Streit in der Deutschen Burschenschaft (DB) ist ein Fall für die Juristen geworden. Wie die Staatsanwaltschaft Bonn auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mitteilte, hat sie ein Ermittlungsverfahren gegen ein Mitglied einer in Bonn ansässigen Burschenschaft „wegen des Verdachts der Verunglimpfung des Andenkens Dritter“ eröffnet. Dies stünde „im Zusammenhang mit Strafanzeigen verschiedener Personen“, so der Pressesprecher der Behörde, der unter Hinweis auf das laufende Verfahren keine weiteren Angaben machen wollte.

Hintergrund ist der Vorwurf gegen den Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter, Norbert Weidner, er habe in einem Leserbrief an die Mitgliedszeitung seiner Bonner Studentenverbindung den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter bezeichnet (JF 17/12).

Innerhalb der DB war dies zum Anlaß genommen worden, mit einem Aufruf Weidner zum Rücktritt von seinem Amt aufzufordern. Nach Informationen der JF haben mittlerweile 350 Burschenschafter diese Forderung unterschrieben, wobei jedoch mindestens ein Erstunterzeichner wieder um die Streichung seines Namens gebeten haben soll. Weidner selbst berichtet, er habe bereits viel Zuspruch bekommen – sogar von Leuten, die nicht seiner Meinung seien, das Vorgehen der Gegner via Medien jedoch ablehnten. In einem offenen Brief geißelt ein Unterstützer Weidners (offenbar unter Pseudonym) gar die Urheber des Aufrufs als „Lumpen“, die in „schamloser Weise“ und im „Windschatten der Feindpresse“ eine Intrige vom Zaun gebrochen hätten. Doch es gibt auch Kritik, die ohne Schaum vor dem Mund auskommt. So heißt es in der Replik eines langjährigen DB-Funktionsträgers, man könne nicht einerseits als Verband gegen „Denkverbote“ protestieren und gleichzeitig einen Burschenschafter wegen dessen Meinung öffentlich diskreditieren: „Kritik ja, aber was darüber hinausgeht, verstößt gegen unsere eigenen Grundsätze und Überzeugungen.“ Daß es auf dem nach Pfingsten in Eisenach zusammentretenden Burschentag eine qualifizierte Mehrheit für seine Abwahl geben wird, hält Weidner momentan für „eher unwahrscheinlich“.

Dagegen sprechen diejenigen, die seinen Rücktritt fordern, von einem „lange aufgestauten Frust“, der sich hier Luft mache. Dieser Unmut reiche sogar bis hinein ins Lager der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, die sich offiziell jedoch bereits in der vergangenen Woche hinter den Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter gestellt hatte und das Vorgehen der Weidner-Gegner als „zutiefst unburschenschaftlich und niederträchtig“ bezeichnet hatte. Allerdings haben die Altherren-Vorsitzenden von mindestens zwei BG-Burschenschaften sowie andere Mitglieder des als „rechts“ geltenden Zusammenschlusses den Rücktrittsappell mitunterzeichnet. Dies werten die Initiatoren als Signal dafür, daß die Amtszeit Weidners auf dem Burschentag doch enden könnte.

Unterdessen haben mehrere andere Dachverbände studentischer Verbindungen mit Pressemitteilungen auf den Streit in der DB reagiert. Die Kösener Corpsstudenten etwa distanzieren sich „nachdrücklich von den rassistischen und vollkommen unangemessenen Äußerungen eines prominenten Mitglieds der Deutschen Burschenschaft zu dem Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und verurteilen seine Äußerungen auf das Schärfste“. Die Neue Deutsche Burschenschaft (NDB) spricht von rufschädigenden Äußerungen, die das gesamte Korporationswesen beträfen. Daher habe die NDB beschlossen, aus Protest ihre Mitgliedschaft im Convent Deutscher Akademikerverbände (CDA) ruhen zu lassen. Der CDA wiederum, eine Interessengemeinschaft von zwölf Akademikerverbänden, zeigte sich „empört und bestürzt über die Äußerungen des Schriftleiters der Burschenschaftlichen Blätter“ und sprach von „mangelndem akademischem und moralischem Niveau“ sowie einem „totalitär-nationalistischenWeltbild“, welches sich bei ihm offenbare. Die Deutsche Burschenschaft sei gut beraten, „die Ablehnung dieser Einzelmeinung klar herauszustellen“.

Innerhalb der DB ist die erste Aufregung indes abgeebbt, es herrscht Waffenruhe zwischen den verfeindeten Lagern. Zumindest bis zum Burschentag in Eisenach. Dort allerdings wird von beiden Seiten der „Showdown“ erwartet.

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