© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Haltungsnote
Ökonomische Schläue
Christian Schwiesselmann

Technofreaks stehen im Rufe, nicht die hellsten Kerzen auf der Torte zu sein, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Von den Konsumenten „elektronischer Tanzmusik“, den zahlreichen Besuchern der „Love“- und sonstigen Paraden, auf die Produzenten zu schließen, wäre allerdings ein beinahe naturalistischer Fehlschluß. 

Manche Diskjockeys (DJs) – wie die Produzenten hinter Laptop und Mischpult heißen – sind nicht nur äußerst erfolgreich, sondern beweisen auch ein erstaunliches politökonomisches Urteilsvermögen. Paul van Dyk zum Beispiel. Der 1971 in Eisenhüttenstadt unter dem bürgerlichen Namen Matthias Paul geborene Nachrichtenelektroniker, der nach der Wende mit „Trance“-Produktionen zu einem der bekanntesten DJs der Welt aufstieg, legte im Interview mit dem Tagesspiegel kürzlich den Finger in die offene Wunde des Wohlfahrtssozialismus hierzulande.

„Ist-Zustand betrachten, schauen, was sich besser machen läßt und wie man das gewünschte Gemeinwohl finanziert“, schrieb der bekennende SPD-Wähler seiner Lieblingspartei ins Stammbuch. Und: Zu Gerechtigkeit gehöre, daß jemand, der arbeitet, auch mehr haben muß als jemand, der nicht arbeitet, so der Hörfunkmoderator, der mit der Paul van Dyk GmbH und seinem Plattenlabel Vandits Records selbst unternehmerisch tätig ist.

Der international erfolgreiche Produzent hat genug Weitsicht, um nicht in den Chor gewerkschaftlicher Kapitalismuskritiker einzustimmen: „Ich finde Herrn Bsirske von Verdi fürs Gemeinwohl untragbar. Der hat es schon geschafft, Unternehmen in Grund und Boden zu streiken.“ Unternehmer, die ihre Leute ausbeuten, seien seltene Ausnahmen. Zu 99 Prozent würden deutsche Mittelständler eher selbst den Gürtel enger schnallen, als jemanden zu entlassen, ist sich van Dyk sicher.

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