© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Blick in die Medien
Saarländischer Satansbraten
Toni Roidl

Ein bizarres Pressegefecht um die Piraten wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der deutschen Qualitätspresse. Es ist ein Drama in drei Aufzügen.

Erster Akt: Das vormals konservative Magazin Cicero veröffentlicht online eine boulevardeske Enthüllungsstory über die saarländische Piratenkapitänin Jasmin Maurer. Die Zutaten: Ballerspiele, Grufti-Szene und – Gottimhimmel! – Sympathie für deutsche Soldaten. Quelle: Google.

Zweiter Akt: Die FAZ wirft ebenfalls die Suchmaschine an und nimmt die Cicero-„Recherche“ auseinander. Bei der mutmaßlichen Internetidentität handele es sich statt um „satansbraut“ Jasmin aus Friedrichsthal in Wahrheit um „SatansBraut“ Jasmine aus Blieskastel, ebenfalls im Saarland.

Dritter Akt: Jasmin Maurer (die echte) reicht eine Gegendarstellung ein; Cicero läßt die Veröffentlichungsfrist verstreichen. Die Redaktion bleibt bei ihrem Bericht über die angebliche Satansbraut. Beweis: Ein verschwommenes Foto einer Person mit Kurzhaarschnitt und Piercing. Gegenbeweis Maurer: Sie habe lange Haare und kein Piercing.

Vorläufiges Ende: Beide Seiten wissen nicht weiter. Der Landesverband der Piraten: „Bislang haben wir noch keine Entscheidung darüber von Cicero vorliegen, dementsprechend gibt es auch noch keine Entscheidung über unser weiteres Vorgehen.“

Die absurde Komödie wäre lustig, wenn sie nicht ein Armutszeugnis für die beteiligten Medien wäre. Zum einen: Für die „Recherche“ steht diesen Journalisten offenbar nur noch das Internet zur Verfügung. Der Weg aus der Redaktionsstube nach draußen ist wohl unzumutbar. Zum anderen: Statt sich mit den politischen Inhalten auseinanderzusetzen, glauben die Redakteure, ihr Publikum mit frivolen Details aus der Jugend einer Abgeordneten kitzeln zu müssen.

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