© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Lockerungsübungen
Froh, nur dabei zu sein
Karl Heinzen

Die italienische Lega Nord kann für sich in Anspruch nehmen, europaweit die Protestpartei mit der größten Regierungserfahrung zu sein. Nimmt man ihren Anspruch ernst, ist die Erfolgsbilanz ihrer Beteiligung an den Kabinetten Silvio Berlusconis allerdings eher bescheiden. Korruption und Mißwirtschaft sind nicht eingedämmt worden. Die Wirtschaft ist erlahmt und die Staatsverschuldung ausgeufert. Eine Staatsreform nach föderalen Prinzipien, mit der die Lega die ungezügelte Umverteilung vom prosperierenden Norden in den maroden Süden eindämmen wollte, kam nicht zustande. Anstatt die „Diebin Rom“ in Fesseln zu legen, hat man sich selbst an ihren Beutezügen beteiligt.

Vor den Kommunalwahlen muß die Lega sich nun aber nicht nur des Vorwurfs gebrochener Versprechen erwehren. Auch ihr Saubermann-Image ist dahin, seit die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihren unterdessen zurückgetretenen Schatzmeister Francesco Belsito eröffnet hat. In den Strudel der Vorwürfe des Betrugs, der Veruntreuung von Staatsgeldern und der Geldwäsche für die organisierte Kriminalität ist auch der langjährige Vorsitzende Umberto Bossi geraten, weisen doch beschlagnahmte Unterlagen darauf hin, daß er und seine Familie von diesen Straftaten profitiert haben – von Zuschüssen für die Renovierung der Privatvilla über Finanzspritzen für die Reitschule der Ehefrau bis hin zu Zahlungen an ein Londoner Privatinstitut, an dem ein Sohn seinen Doktortitel erwarb.

Nach dem Rücktritt Bossis ringt die Lega Nord nun um eine Neupositionierung. Dieses Bemühen ist nicht aussichtslos, weil das, was als Skandal erscheint, zugleich als eine Entdämonisierung des Rechtspopulismus gewertet werden kann. Wer einer Protestpartei dieses Zuschnitts seine Stimme gibt, muß nicht länger befürchten, daß dies unberechenbare Konsequenzen zeitigen könnte. Rechtspopulisten prägen keinen neuen Politikstil, und sie streben auch keinen radikalen Wandel an. Sie sind froh, einfach nur dabei zu sein, und lassen sich dafür jeden Kompromiß bereitwillig abringen. Ihre Exponenten sind keine lebensfremden Anstandsapostel, sondern Politiker wie alle anderen auch. Wenn man sie nicht von den Töpfen fernhält, werden sie sich gerne aus diesen bedienen und ihren vorgeblichen Fanatismus vergessen.

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