© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Stadt, Land, Fluß – Kaufen!
Boom auf dem Immobilienmarkt: Niedrige Kreditmarktzinsen locken, periphere Lagen mit guter Verkehrsanbindung lohnen sich besonders
Markus Brandstetter

Fast 20 Jahre lang lagen die Preise deutscher Wohnimmobilien im Dornröschenschlaf – während sie überall sonst auf der Welt steil nach oben gingen. In den USA und Australien, in Irland, Holland und Hongkong, in Kanada und in Dänemark – überall stiegen die Immobilienpreise in den zehn goldenen Jahren zwischen 1997 und 2007 wie verrückt. Überall, nur in Deutschland nicht.

Aber auf einmal kommt Bewegung in den Markt. Wer die Märkte genau beobachtete, der wußte es schon 2010, im letzten Jahr aber war der Trend dann nicht mehr zu leugnen, und nun ist es endlich auch offiziell: „Wohnimmobilien haben sich im Jahr 2011 in Deutschland kräftig verteuert. Der Preisanstieg belief sich auf fünfeinhalb Prozent gegenüber dem Jahr 2010, schreibt die Bundesbank in ihrem Monatsbericht vom Februar 2012.

Das ist das erste Mal seit dem Wiedervereinigungsboom Anfang der 1990er Jahre, daß hierzulande ein konjunktureller Aufschwung wieder mit einer markanten Preisreaktion auf den Häusermärkten verbunden ist. Der britische Economist hat in der jüngsten Version seiner Immobilienpreis-Indikatoren errechnet, daß Deutschland einer der wenigen Märkte weltweit ist, in denen Wohnimmobilien im Vergleich zum verfügbaren Einkommen und zum herrschenden Mietniveau unterbewertet, also zu billig sind. Nur in Japan und Österreich sind laut dem renommierten britischen Wirtschaftsmagazin die Wohnimmobilien noch stärker unterbewertet als in Deutschland.

Diese positive Entwicklung bei den Wohnimmobilien schlägt sich auch in der Bautätigkeit nieder. Nach der neuesten Architektenumfrage des Münchner ifo-Institutes (1. Quartal 2012) ist die Einschätzung des Geschäftsklimas bei den freischaffenden Architekten „so gut wie seit dem Jahr 1994 nicht mehr“. Die Münchner Wirtschaftsforscher stellten fest, daß „die Aufträge zur Planung von Ein- und Zweifamilienhäusern zu Jahresanfang 2012 gut 50 Prozent über dem Niveau des Vorjahres liegen.“ Und auch die Planungsaufträge für Mehrfamiliengebäude erreichten im vierten Quartal 2011 ein 14-Jahres-Hoch.

Drei Faktoren waren es, die die jüngste Dynamik in den Immobilienmarkt gebracht haben. Zum einen ist Deutschland viel rascher aus der Finanzkrise der Jahre 2007 beziehungsweise 2008 herausgekommen als anfangs gedacht. Das hing auch damit zusammen, daß es hierzulande eben keinen Zusammenbruch des Immobilienmarktes gegeben hatte wie in den USA, Irland oder Spanien. Die maßvollen Tarifabschlüsse des letzten Jahrzehnts, die deutsche Entkoppelung von den internationalen Immobilienblasen, das solide Mittelstandsfundament der deutschen Wirtschaft und die stetig anziehenden Exporte – all dies zog Deutschland viel schneller als seine europäischen Nachbarn aus der Finanzkrise heraus.

Der zweite Grund ist der stete Rückgang der Arbeitslosigkeit und der parallele Anstieg der Erwerbstätigkeit. Knapp über 41 Millionen Menschen waren im Februar 2012 in Deutschland erwerbstätig (50,2 Prozent) und nur mehr 2,49 Millionen erwerbslos (5,7 Prozent). Das sind die besten Werte seit 1970. Immer mehr Bundesbürger verdienen also gutes Geld, und immer mehr wünschen sich besseren und komfortableren Wohnraum. Der dritte Grund ist zweigeteilt: die niedrigen Zinsen und das Mißtrauen der Kleinanleger in die Aktienmärkte. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist für marode Banken und verschuldete Mittelmeerländer ein Segen, für den kleinen Anleger aber eine Katastrophe: Magere 2,6 Prozent gibt es – wenn überhaupt – heutzutage noch auf Tagesgeldkonten, und auch deren mickerige Erträge werden erst von der Inflationsrate und dann der Kapitalertragssteuer gleich wieder aufgefressen.

Kaum attraktiver erscheinen den Deutschen die Aktien und Fondsanlagen. Gut 16 Milliarden Euro zogen deutsche Privatanleger im vergangenen Jahr aus Publikumsfonds ab. „Der deutsche Fondsmarkt zeigte im Jahr 2011 zwei Gesichter. Professionelle Anleger kauften, Privatanleger verkauften“, mußte Thomas Neiße, Präsident des Bundesverbandes Investment und Asset Management, eingestehen. Seitdem viele Anleger erst 2007 mit ihren ganzen Depots und zur Zeit mit aktuellen Modeaktien (Solarwerte) ein Debakel erlebten und erleben, ist das Vertrauen in die Märkte bei vielen Leuten dahin.Und genau da wurde die als Investmentinstrument bereits totgesagte Wohnimmobilie über Nacht wieder interessant. Zwei Faktoren machen die Entwicklung im Moment besonders attraktiv. Die Hypothekenzinsen sind so niedrig wie seit Gründung der Bundesrepublik nicht mehr. Wer 20 Prozent Eigenkapital und eine vernünftige Bonität vorweist, der kann heute zu einem Zinssatz von 3,00 Prozent (mitunter sogar 2,95 Prozent) mit zehnjähriger Zinsbindung finanzieren. Recht viel besser kann es nicht mehr werden.

Ein Beispiel: Wer heute eine neue 100-Quadratmeter-Wohnung für 250.000 Euro erwirbt, die üblichen 20 Prozent Eigenkapital (in dem Rechenbeispiel wären das 50.000 Euro) mitbringt, der kann die restlichen 200.000 Euro zu einer Monatsrate von 833,33 Euro (bei zwei Prozent Tilgung) auf zehn Jahre fest finanzieren. Unterstellen wir eine Quadratmetermiete von 8,5 Euro, die sich in den meisten Lagen in und am Rand von Ballungszentren jederzeit erzielen läßt, dann zahlt sich die Wohnung alleine durch die Kaltmiete ab. Eine besondere Dynamik erhält der Immobilienmarkt durch eine sich immer mehr abzeichnende Wohnungsnot. „In Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten hat sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt deutlich zugespitzt“, schreibt das Pestel Institut aus Hannover in einer Studie vom Februar 2012. Und die Autoren legen noch nach: „Aktuell fehlen in den zehn deutschen Großstädten, die den stärksten Wohnungsmangel haben, mehr als 100.000 Mietwohnungen – rund 17.500 davon allein in Frankfurt am Main und 8.000 in Stuttgart.“ Dies deutet darauf hin, daß Wohnimmobilien sowohl als Geldanlage, aber auch zur Eigennutzung selten so attraktiv waren wie heute – auch wenn die Preise in Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart und München inzwischen schwindelerregende Höhen erreicht haben. Wer jetzt noch zuschlagen will, der muß drei Punkte beachten: Erstens sollte er in einen Neubau mit Niedrigenergie-Eigenschaften investieren.

Zweitens: Stadt schlägt Land, während gute Verkehrsanbindungen (U-, S-Bahn, Autobahn) stets idyllische, dafür aber abgelegene Objekte übertreffen. Schließlich: Wer sucht, der findet immer noch bezahlbare Objekte in einem Radius von 50 Kilometern um die großen Städte und Ballungszentren. Kleine und mittlere Städte mit guter Verkehrsanbindung, hohem Freizeitwert und historischer Altstadt sind genau richtig.

 

Markus Brandstetter ist Geschäftsführer der A&C Gesellschaft für Mittelstandsberatung.

 www.ac-mittelstand.de

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