© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/12 13. April 2012

Geld allein nützt nichts
Demographie: Zur Lösung der Krise bedarf es dringend eines Mentalitätswandels
Jürgen Liminski

Politik ist unser Schicksal, beschied Napoleon. Wirtschaft ist unser Schicksal, meinte Rathenau 120 Jahre später. Heute, ein knappes Jahrhundert weiter, können wir sagen: Demographie ist unser Schicksal. Genauer, der demographische Niedergang wird das Schicksal Europas, insbesondere Deutschlands bestimmen. Wie ein Schatten liegt er bereits auf Wirtschaft und Politik. In ihrer Kurzatmigkeit stößt die Wirtschaft Hilferufe nach Fachkräften aus, in ihrer Konzeptlosigkeit sinnt die Politik fantasielos über eine neue Steuer nach, um sich gegen den anrollenden Tsunami für die Pflege-und Rentensysteme zu wappnen. Aber das sind nur die in den letzten Jahrzehnten aufgeweichten Bruchstellen im Deich. Die gesamte Gesellschaft wird sich ändern, das Lebensgefühl, der Konsum, der Umgang miteinander.

Die Armut an Kindern verändert grundlegend unser aller Leben. Es gibt noch einige Inseln früher Bürgerlichkeit, Familien mit zwei, drei und sogar mehr Kindern. Sie machen gerade noch zehn Prozent der Familien aus. Die Single-Haushalte boomen, mit ihnen die Industrie der Tiefkühlhäppchen, der kleinteiligen Wohnungen in den Städten, der Luxusangebote auf eigenen Single-Messen. Familien mit Kindern leben in den Randgebieten der Städte, wo Baugrund noch preiswert zu haben ist. Dort aber ist auch ein Luxusgut zu Hause: Gemeinschaft des Vertrauens, Zuverlässigkeit, Selbstlosigkeit, selbstverzehrende Hingabe, Freude an der Freude des anderen, gemeinsame Ziele und Träume, das Ja zum Leben, die Erfahrung gemeinsamen Verzichts – mit einem Wort: Liebe. Sie entzieht sich dem Diktat der Wirtschaft und des Kapitals. Und was der Gesellschaft insgesamt bei allem materiellen Reichtum verlorengeht, sind die Unbefangenheit, die Spontaneität, die Ehrlichkeit und Unmitttelbarkeit der Kinderlogik. Mit dem demographischen Niedergang einher geht die emotionale Verarmung unserer Gesellschaft.

Aber der Niedergang ist nur die eine, aktuelle Seite der Medaille. Demographie ist immer auch dynamisch. Entweder unsere Kinder oder die der anderen, stellte der große Demograph Alfred Sauvy fest. Brüssel bietet ein beredtes Beispiel. Seit vier Jahren ist der meistgebrauchte Name für Neugeborene Mohammed. Ein gutes Viertel der Bevölkerung in der Metropole Europas stammt aus islamischen Ländern. Unser Ziel ist die Einführung der Scharia, ist Belgistan. Das sagt ganz unverhohlen ein führender Imam in Brüssel. Andere drücken es noch drastischer aus: Wir werden euch totgebären. Was sie nicht wissen: Selbst Muslime unterliegen den Gesetzen der Natur, auch wenn die Scharia die menschliche Natur permanent vergewaltigt. Der Wohlstand drückt die Geburtenquote auch bei Muslimen, sie passen sich an. In Frankreich liegt die Geburtenquote insgesamt bei 2,1 Kindern pro Frau, die französische Frau bekommt immerhin 1,9 Kinder, die nichteuropäische, in Frankreich lebende bekommt bereits weniger als vier. Das Problem: Der Anpassungsprozeß verläuft so langsam, daß eine Veränderung der Gesellschaft unausweichlich ist – wenn die Politik nicht gegensteuert.

Doch auch in islamischen Ländern selbst fällt die Quote. Der Kapitalismus, der größte Geburtenkiller, macht auch vor den Ölmonarchien nicht halt, nachdem er bereits in den asiatischen Tigerstaaten die Geburtenquote unter die Bestandserhaltung gesenkt hat. Der Iran erlebte, wie der Soziologe Stefan Fuchs beschreibt, in den letzten Dekaden den „schnellsten Fertilitätsrückgang der Menschheitsgeschichte“: Die Geburtenrate brach von sechs bis sieben Kindern pro Frau (1985) auf 1,8 Kinder (2009) ein. Hohe Geburtenraten finden sich heute nur noch in „gescheiterten Staaten“ wie dem Jemen. Die Füße der Ölgiganten sind aus dünnem Ton.

Demographie ist ein geopolitischer Faktor. Er bedroht Rußland (eine Million Menschen weniger pro Jahr), er schwächt Europa, er ist eine Zeitbombe für China, wo Hunderte Millionen Alte ohne Altersversorgung (das war früher die Großfamilie) soziale Verwerfungen verursachen werden. Und er verändert das Gesicht Amerikas, wo die Hispanics künftig zur führenden Minderheit werden. Es führt kein Weg daran vorbei: Deutschland, Europa braucht wieder Kinder, wenn es nicht zu einer Altenkolonie werden will. Das ist auch eine Frage der Familienpolitik, aber materielle Transferleistungen allein können das Problem nicht lösen. Die Geburtenquote ist keine Frage des Inputs von Transferleistungen. Mehr Geld bringt nicht mehr Kinder, aber weniger Geld – das haben die Erfahrungen und Statistiken gezeigt – reduziert die Geburtenquote noch weiter.

Das generative Verhalten ist eine Frage der geistigen Einstellung zum Leben. Deshalb bedarf es eines geistigen Inputs, sprich einer geistigen Wende, die Familie nicht nur individuell erstrebenswert macht (Umfragen unter Jugendlichen belegen es immer wieder), sondern auch im politisch-medialen Establishment als Wert erscheinen läßt. Hier aber ist Familiengleichgültigkeit die Norm. Und das muß sich ändern. Da die Kinderlosen in diesem Establishment in der Mehrheit sind, geht das wohl nur über Wahlen – oder politische und wirtschaftliche Katastrophen.

 

Jürgen Liminski ist Geschäftsführer des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie. www.i-daf.org

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