© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Blick in die Medien
Welpenschutz für Piraten ist Geschichte
Toni Roidl

Das Piratenleben ist nichts für Leichtmatrosen. In der Politik herrscht rauhe See. Beinahe wäre der NRW-Landesvorsitzende der Piratenpartei Michele Marsching gekentert. Was ist passiert?

Während eines Waldspaziergangs mit Kind und Hund rief ihn ein Reporter des SPD-nahen Nachrichtenportals DerWesten.de auf dem Handy für ein Interview an. Zwischen Aufsichtspflicht und schlechter Verbindung folgte ein halbstündiges Gespräch, „welches ich insgesamt als sehr unangenehm empfunden habe“, schreibt Marsching auf seinem Blog: „Der Gesprächspartner versuchte, mich immer wieder auf Extrempositionen festzulegen.“

Damit schaffte es der Interviewer, dem Piratenkäpt’n ein brisantes Zitat über eine geplante Diätenerhöhung von 500 Euro aus der Nase zu kitzeln. Obwohl sich die Partei gegen die Sondererhöhung zur Altersvorsorge der Abgeordneten ausgesprochen hatte, stellte DerWesten die Aussage Marschings so dar, als wenn dieser dafür wäre und setzte das auch noch in die Überschrift.

Daraufhin prasselte eine Twitter-Beleidigungsflut auf Marsching ein: „geldgeiles Arschloch!“, „unwählbar!“ etc. Die Szene nennt das Phänomen „Shitstorm“. Der vom Sturm geschüttelte Freibeuter stellte die Angelegenheit auf seinem Blog klar. Doch ein bißchen über die Planke gehen lassen wollten ihn seine Kumpane trotzdem für die Panne. Beim NRW-Parteitag in Münster wurde er im ersten Wahlgang nicht auf die Kandidatenliste gewählt. Erst im zweiten Wahlgang schaffte er es auf Platz vier.

So ein „Shitstorm“ kann einen Seeräuber also nicht erschüttern. Doch eins zeigt die Affäre: Solange die Piraten als „Spaßpartei“ galten, genossen sie bei den Medien einen gewissen Welpenschutz. Dieser ist mit den Wahlerfolgen endgültig vorbei. Denn Erfolge wecken Mißgunst, vor allem im linken Lager, wo die Seeräuber viele Stimmen kapern.

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