© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Lockerungsübungen
Kein Mangel an Kriegsgründen
Karl Heinzen

Die Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Jungsozialisten hat sich in einer Resolution dafür ausgesprochen, einen israelischen Militärschlag gegen den Iran zu unterstützen, sofern Teheran auf andere Weise nicht zur Einstellung seines mutmaßlichen Atomwaffenprogramms bewegt werden kann. Inwieweit diese Willensbekundung die geostrategische Konstellation im Nahen und Mittleren Osten wesentlich verändert, ist noch nicht zu erkennen. Die Jungsozialisten halten sich derzeit bedeckt, ob sie im Fall einer militärischen Zuspitzung der Lage den israelischen Streitkräften Freiwilligenverbände an die Seite stellen oder im Falle eines iranischen Gegenschlags wenigstens die dortige Zivilschutzorganisation personell verstärken wollen. Von Relevanz ist die Resolution der Jungsozialisten allerdings für die deutsche Innenpolitik, da sie einen weiteren Meilenstein in der Abkehr vom einstigen pazifistischen Konsens in unserem Land symbolisiert.

In der Vergangenheit war das bürgerliche Lager grundsätzlich gegen den Einsatz militärischer Mittel in der Politik und wollte diesen allenfalls als ultima ratio dulden. Links der Mitte ging man noch einen Schritt weiter und verfolgte das Ziel einer Welt ohne Waffen, in der Konfliktlösungen ausschließlich auf friedlichem Weg angestrebt würden. Von dieser aus ihrer Verantwortung vor der deutschen Geschichte resultierenden Friedfertigkeit hat sich die Bundesrepublik in den vergangenen zwei Jahrzehnten Schritt für Schritt verabschiedet. Den Bürgerlichen ist bewußt geworden, daß die Sicherung von Handelswegen, Auslandsinvestitionen und Marktzugängen in einer globalisierten Welt auch eines militärischen Interventionspotentials bedarf.

Allerdings haben sie noch Hemmungen, den Einsatz von Gewalt bloß mit ökonomischen Interessen zu legitimieren und suchen händeringend nach ethisch überzeugenderen Gründen. Diese liefern ihnen Sozialdemokraten, Grüne und auch Linke frei Haus. Überall auf der Welt werden schließlich irgendwelche Menschenrechte verletzt oder demokratische Spielregeln mißachtet. So manche Regierung ist nur durch Gewalt von der Gewaltanwendung abzubringen. Wenn wir die Prinzipien unserer westlichen Zivilisation daher wirklich ernstnehmen und als universal betrachten, dürfte es kaum einen Staat geben, gegen den ein Krieg nicht zu rechtfertigen wäre.

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