© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/12 06. April 2012

Griechenland-Rettung
Der Marshall-Plan-Wahn
Bernd-Thomas Ramb

Keine Frage, Griechenland ist trotz milliardenschwerer Rettungspakete und – besonders für griechenlandrettungswillige Privatinvestoren schmerzliche – Schuldenschnitte noch lange nicht saniert. Schon ist von einer demnächst fälligen dritten Rettungsaktion die Rede. Aber nur mit Außenhilfe und ohne Eigenleistung kommen die Griechen nicht wieder auf die Wirtschaftsbeine. Wachstum ist gefordert; wirkliches Wirtschaftswachstum und nicht nur die Ausweitung staatlicher Dienstleistungen oder noch mehr Import-Export-Händler. Die Devise lautet: Höhere Warenproduktion.

Nun ist das leichter gesagt als getan. Brauchen die Griechen dazu nicht einen kleinen Anschub? Prompt wird die Idee von einem Marshall-Plan für Griechenland wieder aufgewärmt. Der Vergleich mit dem historischen Marshall-Plan nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist allerdings vollkommen deplaziert. Erstens wurde in Griechenland nicht die Mehrzahl der Wohngebäude zerbombt; zweitens verfügt Griechenland nicht über einen gut ausgebildeten Flüchtlingsstrom, der sich mit bescheidenen Lohnforderungen eine neue Existenz aufbauen will; drittens hat Deutschland damals den realen Gegenwert von gerade vier Milliarden Euro zum Wiederaufbau erhalten, weniger als zwei Prozent der bisher zur Rettung Griechenlands bereits verpulverten Summe.

Griechenland versteht schon den Schuldenerlaß von mehr als hundert Milliarden Euro nicht als Marshall-Plan. Immerhin wird ihr Staatshaushalt durch den Wegfall der entsprechenden Zinszahlungen um jährlich sechs bis acht Milliarden Euro entlastet. Die deutsche Marshall-Plan-Hilfe war eine einmalige Geldspritze, keine Jahr für Jahr gezahlte Stütze. Vielleicht liegt auch darin das Geheimnis des Erfolgs.

Nach wie vor zählt der historische Marshall-Plan zur Kategorie der nicht wiederholbaren Experimente. Wenn Marshall-Pläne unter anderen als den damaligen Umständen wirken könnten, wären das Saarland, Bremen und Schleswig-Holstein schon lange blühende Landschaften. Die Griechen werden zudem nicht verstehen, warum sie ohne verlorenen Krieg nun in einer nachkriegsähnlichen Situation leben, wiederaufbauen und bescheiden wirtschaften sollen.

Einen besseren Vergleich bietet der Drogenentzug eines Drogenab-hängigen. Mehr als ein Jahrzehnt Kredite zu billigsten Konditionen zu erhalten – sprich zu niedrigen Zinssätzen und zu geringen Anforderungen an die Kreditsicherheiten –, macht dauerhaft süchtig. Nun soll der kalte Entzug kommen? Der Widerstand des Süchtigen ist verständlich. Daher wird die Subventionierung der Griechen mit eventuell reduzierten Rauschgiftdosen weitergehen. Mögen auch die entsprechenden Zahlungen künftig Marshall-Plan heißen, in diesem Sinne helfen werden sie nach aller Erfahrung nicht.

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