© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Italien droht Zeitungssterben
Sparpaket: Der übersubventionierten Branche stehen schwere Einschnitte bevor / Für viele nicht verkraftbar
Paola Bernardi

Wie zu erwarten, hat die neue italienische Regierung unter Ministerpräsident Mario Monti die Kürzungen der Subventionen für die Zeitungsbranche von 170 Millionen Euro auf 53 Millionen Euro, die schon unter der Berlusconi-Regierung beschlossen wurde, bestätigt. Das könnte das Aus für zahlreiche kleine Zeitungen bedeuten, von der linken L’Unità bis hin zum katholischen Avvenire, dem Informationsblatt der italienischen Bischofskonferenz.

Es wird geschätzt, daß Dutzende kleinerer Zeitungen von der Schließung bedroht sein könnten. Doch ein allgemeiner Aufschrei blieb bis jetzt aus. Überhaupt stellt sich die Frage, wieso so viele kleine Zeitungen, trotz schwindender Anzeigen und bröckelnder Leserschaft, überhaupt existieren. Das liegt vor allem an einem unübersichtlichen System an Subventionen für politische Blätter jeglicher Couleur und an der  Besonderheit des italienischen Zeitungsmarktes.

Die Monti-Regierung hatte zunächst 50 Millionen Euro zugesagt, die für die Unterstützung kleinerer Blätter gedacht waren. Doch das Geld kam wegen der klammen Haushaltslage nicht zur Auszahlung. Zu den prominenten Opfern gehört unter anderem die kommunistische Tageszeitung Il Manifesto (siehe Kasten).

Die schlecht funktionierende Post und das Fehlen von eigenen Vertriebsformen haben die Abonnementsysteme bisher beeinträchtigt: Nur sieben Prozent der Italiener halten sich ein Abonnement. Der Anteil der Zeitungen, die im Abonnement verkauft werden, ist mit gut zehn Prozent deutlich niedriger als in anderen Ländern. In Schweden sind es etwa zwanzig Prozent, in Deutschland sogar über dreißig.

Fazit: Die italienische Presse erreicht nur eine Minderheit der Bevölkerung. Die verkaufte Gesamtauflage der Tageszeitungen ist seit dem Jahr 2000 um mehr als zehn Prozent gesunken. Das bedeutet bei 57 Millionen Einwohnern, daß durchschnittlich jeder zehnte sich täglich eine Zeitung kauft, im Süden sind es noch weniger. In Deutschland ist es etwa jeder dritte.

 Die Italiener informieren sich lieber aus dem Fernsehen und dem Internet. So liest ein Italiener pro Tag 14 Minuten eine Tageszeitung, sieht aber dreieinviertel Stunden fern. Bemerkenswert ist, daß es vier Tageszeitungen gibt, die  sich nur mit Sport beschäftigen. La Gazzetta dello Sport, der Marktführer in diesem Segment, gehört zum gleichen Verlag wie der Corriere della Sera. Eine weitere Besonderheit der italienischen Presse ist, daß sich alle großen Zeitungen in der Hand von bedeutenden Wirtschaftsunternehmen befinden: So werden der Corriere della Sera und La Stampa von der Familie Agnelli (Fiat) kontrolliert, La Repubblica vom Industriellen Carlo De Benedetti,  Il Giornale von Silvio Berlusconis Bruder Paolo, Il Messagero vom Bauunternehmer Francesco Gaetano Caltagirone, und die Wirtschaftszeitung Il Sole gehört dem Industrieverband. Die Eigentumsstruktur spiegelt sich in der Berichterstattung wider.

Auch mit der Politik sind die Verlage verknüpft. So war der langjährige Präsident des Zeitungsverlegerverbandes Carlo Malinconico in der neuen Regierung als Staatssekretär für das Pressewesen zuständig.

Aufgrund eines Bestechungsskandals mußte er aber im Januar zurücktreten. Malinconico hatte sich Hotelaufenthalte von einem Unternehmer bezahlen lassen. Diese Affäre war der erste größere Skandal der Regierung Monti.

 

Il Manifesto kämpft ums Überleben

Die 60 Angestellten des linken Il Manifesto (Auflage 20.000), den zu zitieren auch unter deutschen und französischen Intellektuellen „in“ war, haben seit September kein Gehalt  mehr bekommen. Die Genossenschaft wird abgewickelt. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil Silvio Berlusconi stets Gleichschaltung vorgeworfen wurde. Während seiner Regierungszeit wurde das Blatt jedoch munter weitersubventioniert. Erst sein Nachfolger Mario Monti bewirkt das, was die Linke Europas jahrelang Berlusconi vorgeworfen hat. (rg)

Foto: Zeitungskiosk in Florenz: Die italienische Presselandschaft ist groß, vielleicht zu groß für den vorhandenen Markt

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