© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Lockerungsübungen
Freigänger statt Rekruten
Karl Heinzen

Auf dem Truppenübungsplatz Seetaler Alpe, so hat ein Sprecher des Militärkommandos Steiermark erklärt, werden nun doch keine Freigänger aus Justizvollzugsanstalten eine Beschäftigung finden. Das von dem Sozialdemokraten Norbert Darabos geführte österreichische Ministerium für Landesverteidigung ist damit kampflos vor einer Kampagne eingeknickt, die nach dem Durchsickern entsprechender Pläne hochgekocht war. Dies ist bedauerlich, wird doch das Bundesheer durch den Rückzieher eines Pilotprojekts beraubt, das Aufschluß über seine Zukunftsfähigkeit hätte bieten können.

Darabos strebt eine Professionalisierung seiner Streitkräfte an, der jedoch die in EU und Nato als überholt angesehene, derzeit allerdings noch in der Verfassung des Landes verankerte Wehrpflicht entgegensteht. Auf dem steirischen Truppenübungsplatz hätte er nun demonstrieren können, daß ein modernisiertes Bundesheer sehr wohl ohne Rekruten auskommen könnte. Etwa 100 Grundwehrdienstleistende sind dort mit Aufgaben in Verwaltung, Küche und Sicherung betraut. Da dafür nur eine geringe Qualifikation erforderlich ist, wäre ein kostengünstigerer Ersatz durch Freigänger ohne weiteres möglich. Nun wird immerhin geprüft, ob an ihrer Stelle Leiharbeiter angeheuert werden sollen.

Auch für Partnerstaaten Österreichs hätte das Pilotprojekt Erkenntnisse liefern können: Mögen sie auch die Wehrpflicht abgeschafft haben, so stehen sie doch nahezu ausnahmslos vor gravierenden Problemen in der Rekrutierung von Freiwilligen. Der Soldatenberuf ist unpopulär, unattraktiv und durch Risiken für Leib und Leben gekennzeichnet. Wer am zivilen Arbeitsmarkt nur den Hauch einer Chance wittert, eine Stelle zu bekommen, kann kein vernünftiges Argument benennen, sich beim Militär zu verpflichten. Einzig jene, die in der gesellschaftlichen Hierarchie ganz unten stehen, können vom sozialen Aufstieg in den Streitkräften träumen. Die Nachwuchsgewinnung wird sich daher über kurz oder lang auf bedürfnislose Neueinwanderer und Straffällige konzentrieren müssen.

Dabei ist jedoch Vorsicht geboten. Jüngsten Untersuchungen zufolge sind rechtsextremistische Einstellungen in nicht wenigen Haftanstalten dominant. Nicht jeder Strafgefangene von heute kommt daher für die Truppe von morgen in Betracht.

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