© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/12 30. März 2012

Kreuzberger Diskussionskultur
Berlin: Linksextremisten schlagen BMW und Guggenheim in die Flucht
Ronald Berthold

Der Regierende Bürgermeister ist empört. Er bedauere „Versuche der Einschüchterung durch plumpe Drohungen“, ließ Klaus Wowereit wissen. Der SPD-Politiker mußte gerade die Absage des renommierten „BMW Guggenheim Lab“ in Kreuzberg hinnehmen, weil die linke Szene derart massive Drohungen aussprach, daß sich die Organisatoren nicht sicher fühlten. Dabei hätte Wowereit der Denkfabrik, die für zwei Monate auf einem brachliegenden Grundstück Station machen wollte nach eigenen Worten gern den „roten Teppich ausgerollt“. Auch Innensenator Frank Henkel (CDU) gab sich entrüstet.

Die angebliche Betroffenheit der politischen Spitze überrascht. Denn Tag für Tag rollt sie ebenjener Klientel den roten Teppich aus, die dieses nur für drei Monate geplante Projekt nun verhinderte. Die Methoden sind immer gleich: Den Opfern wird rechtes Gedankengut angedichtet und sie damit zu Freiwild erklärt. Die Politik schweigt entweder dazu oder lobt jene Aktionen nicht selten als „Zivilcourage“. Die brachialen Methoden sind längst als Mittel der vorgeblich demokratischen Auseinandersetzung etabliert.

Trotz der Empörung Wowereits ist das diesmal im Prinzip nicht anders. Der führende Berliner Grünen-Politiker Dirk Behrendt nennt es „erstaunlich, mit welcher Naivität Guggenheim an das Projekt gegangen ist“. Zynisch bescheinigt er den Opfern der Drohungen, „nicht ausreichend auf die Diskussionsfreudigkeit der Kreuzberger vorbereitet“ gewesen zu sein. Wie sieht diese Diskussionsfreudigkeit aus? Die Initiative, die das Projekt seit Monaten verhindern will, begründet ihre Aktion im Internet so: „BMW ist nicht irgendeine Marke, sondern ein besonders konservativer Konzern mit einer besonders üblen Vergangenheit.“ Mit diesen immer gleichen „Argumenten“ kann man die kritische Masse mobilisieren, die dann stets parlamentarischen Feuerschutz erhält. Pikant ist, daß sich in der Guggenheim-Denkfabrik Wissenschaftler und Bürger mit Großstadtproblemen beschäftigen sollten – wie beispielsweise der Verdrängung durch steigende Mieten. Ein klassisch linkes Thema, über das aber offenbar nicht unter dem Dach von BMW diskutiert werden darf.

Wenn Wowereit und Henkel nun ihrem „renommierten Zukunftsprojekt“ nachtrauern und sich über die linke Szene echauffieren – ohne freilich das Kind beim Namen zu nennen –, so darf man ihnen nicht Naivität, sondern muß ihnen Heuchelei unterstellen. Im Wahlkampf vor einigen Monaten hatten die beiden gemeinsam mit Grünen und Linkspartei den „Berliner Konsens“ genannten Antifa-Pakt geschlossen, der jede Veranstaltung von sogenannten Rechtspopulisten für unerwünscht erklärte und verhindern sollte. Dafür brauchten und riefen sie eben jene Hilfstruppen, die sie nun als „kleine Minderheit“ bezeichnen.

Diese kleine, aber schlagkräftige Minderheit kam im Wahlkampf dann auch prima zum Zuge: Als Pro Deutschland sich im vergangenen Jahr ein Treffen im Rathaus Kreuzberg eingeklagt hatte, organisierte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) in den Nebenräumen zeitgleich eine Gegenveranstaltung. Die linke Szene war geladen und zahlreich erschienen. Die Polizei mußte die Konservativen schützen, sah sich aber außerstande, die von Schulz mit seinen Trupps organisierte Blockade der Rathaus-Treppe aufzulösen. Die Mitglieder von Pro Deutschland zogen ab und mußten auf das gesprochene Recht verzichten, was Schulz als „Zeichen für ein weltoffenes und tolerantes Berlin“ wertete. Niemand widersprach.

Tatsächlich wird nicht nur in Berlin ein Klima der aggressiven Intoleranz gefördert, in dem sich die autonome Szene und die Antifa staatlich geschützt austoben dürfen. Beispiele gibt es zuhauf:

Beim Kölner Anti-Islamisierungskongreß von Pro Köln vor drei Jahren riefen ebenfalls alle Parteien zu Protesten auf. In deren Folge wurden Kongreßteilnehmer durch Straßen gejagt und geschlagen. „Kölns damaliger Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) heizte ein: „Kein schäbiger Wahlkampf auf dem Rücken unserer ausländischen Mitbürger.“

Als Thilo Sarrazin vergangenes Jahr bei einem TV-Dreh von Linken aus Kreuzberg vertrieben wurde, sekundierte der heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh, Sarrazin habe schließlich Millionen auf dem Rücken derer verdient, die er jetzt besuchen wollte: „Wer austeilt wie Sarrazin, muß auch einstecken können.“ Auch Grünen-Ikone Hans-Christian Ströbele übte sich im Verständnis, denn der Buchautor zeige sich „völlig uneinsichtig“. Heißt: Wer an einer anderen Meinung festhält, hat Einschüchterungen und Drohungen verdient und hat in Kreuzberg nicht zu suchen. Auch beim Protest gegen die Eröffnung einer McDonald’s-Filiale in Kreuzberg im Herbst 2007 fand die linke Szene Unterstützung im Bundestag. Noch heute steht auf Ströbeles Internetseite in falschem Deutsch, daß der Laden „trotz Widerstand der AnwohnerInnen“ eröffnet worden sei. Für den Politiker ist der Kampf deshalb aber nicht zu Ende. Er schreibt: „Nur der Boykott kann da helfen!“ Dazu veröffentlicht er ein Foto des McDonald’s-Bauzaunes mit dem eindeutigen Graffiti „Kill Fast Food“.

Mittlerweile hat Wowereit einen Brief an die Guggenheim-Stiftung geschrieben, um für Berlin zu werben. Doch dabei geht es offenbar nicht darum, dem ursprünglich geplanten Standort doch noch durchzusetzen, sondern um ein alternatives Grundstück außerhalb Kreuzbergs.

Foto: Brachliegendes Grundstück in Berlin-Kreuzberg:  „Renommiertes Zukunftsprojekt“

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