© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/12 23. März 2012

Haltungsnote
Mit wehender Fahne
Christian Schwiesselmann

Gähnende Leere am Fahnenmast. Nirgendwo spiegelt sich das beschämte Verhältnis der Deutschen zu ihrem Gemeinwesen deutlicher wider als im ängstlichen Säuseln dritter Strophen und dem zaghaften schwarzrotgoldenen „Fußballpartyotismus“.

Hanno Baumann setzt dagegen ein Zeichen. Der Chef des Lackherstellers Plantag hat auf seinem Detmolder Firmengelände eine Deutschlandfahne gehißt, deren Dimensionen sich sehen lassen können: sechs mal zehn Meter Auswehfläche an einem 30 Meter hohen Fahnenmast, fest verankert in einem Fundament aus 18 Kubikmetern stahlbewehrtem Beton. Ähnlich groß ist nur die „Flagge der Einheit“ vor dem Berliner Reichstag, auf dem mittlerweile – Vorboten der Vereinigten Staaten von Europa? – jeweils zwei Europa- und zwei Deutschlandfahnen wehen. „Mit Deutschtümelei hat das aber aber überhaupt nichts zu tun“, will der studierte Chemie-Ingenieur nicht falsch verstanden werden. „Man darf ruhig zeigen, wo man herkommt, und ‘Made in Germany’ hat weltweit einen guten Klang“, begründet Hanno Baumann das textile Bekenntnis in der Lippischen Landes-Zeitung. Zudem ist die Fahne als Hommage an den Seniorchef des seit 1953 existierenden Unternehmens gedacht. Sein Vater, Hans Baumann, sei viel in der Welt herumgekommen und habe sich immer eine große Fahne für seinen Betrieb gewünscht.

Sie zu beschaffen war kein Kinderspiel. In Deutschland, wo der moralische Zeigefinger regelmäßig gegen nationale Symbolik erhoben wird, fand der begeisterte Segler zunächst keinen geeigneten Mast: „Aber dann habe ich die Türkei bereist, und dort gibt es solche Masten im Wortsinn von der Stange. Denn viele Unternehmen haben dort so große Fahnen vor ihren Türen stehen“, blickt Baumann fast neidvoll auf die türkischen Patrioten.

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