© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/12 23. März 2012

Nicht klicken kann von Vorteil sein
Suchmaschinen und Sozialnetzwerke wissen mehr über uns als enge Familienmitglieder
Ronald Gläser

Wie begründet ist die Angst vor der Datenkrake Internet? Die Sammelwut insbesondere von Facebook und Google stellt alles in den Schatten, was es bislang an elektronischen Datenbanken gegeben hat. Sie betrifft fast jeden Internetnutzer. Über die „Gefällt mir“-Funktion von Facebook etwa kann das Unternehmen sogar Personen identifizieren, die gar nicht bei Facebook sind.

Jede Seite, jede Nachricht. Alles wird minutiös gespeichert. Da kommt einiges zusammen. Der österreichische Student Max Schrems hat erfolgreich gegen Facebook geklagt und daraufhin sämtliche Informationen über seine Facebook-Aktivitäten ausgehändigt bekommen. Er war sprachlos. Die CD umfaßte 1.200 Seiten, also mehrere Aktenordner. Auch Informationen, die er längst gelöscht zu haben glaubte. „1.200 Seiten – so etwas hat kein KGB oder CIA über einen Normalbürger“, klagt Schrems.

Es ist nicht damit zu rechnen, daß diese Sammelwut im Netz wieder aufhört, denn es gilt der Grundsatz: Einmal im Internet, immer im Internet. Facebook speichert auch bei abgemeldeten Nutzern die Daten. Und jeder, der schon mal versucht hat, einen negativen Google-Treffer löschen zu lassen, weiß wie schwer das ist.

Die Informationen nehmen also immer weiter zu. Jeder der 850 Millionen Facebook-Nutzer hat im Schnitt 130 „Freunde“. 50 Prozent von ihnen nutzen die Seite täglich. Noch höher dürfte der Anteil derjenigen sein, die mit derselben Häufigkeit auf Google zugreifen und dabei jedesmal neue Datensätze produzieren, die die Staatssicherheit neidisch machen würden.

Prinzipiell ist das Datenspeichern ja nicht neu. Früher ging Frau Müller in ihr Geschäft und kaufte für die Familie ein. Die Verkäuferin wußte Bescheid: Frau Müller bevorzugt Butter statt Margarine und kauft Sauerkraut nur, wenn es frisch ist. Heute wird dieses Wissen digital gespeichert, weltweit abgerufen, von mächtigen Konzernen gebündelt und zu Geld gemacht. Wissen ist Macht. Google und Facebook wissen oft mehr über eine Person als die eigene Familie. Sehnsüchte, Krankheiten, Geldanlage, sexuelle Vorlieben, politische Überzeugungen – alles teilt der Netznutzer mit dem Internet. Weil alles miteinander vernetzt ist, ist es kaum noch möglich, sich dem Internet zu entziehen. Wer heutzutage unter 50 ist und kein Facebook-Profil oder keine E-Mailadresse besitzt, wird schief angesehen. Er macht sich geradezu verdächtig.

„Privatheit ist eine soziale Norm der Vergangenheit“

Und so geben die Internetnutzer immer mehr von sich preis. Mehr oder weniger freiwillig, auch weil sich das Bewußtsein massiv verändert hat. Vor 25 Jahren demonstrierten noch Zehntausende gegen die harmlose Volkszählung, bei der die Länge des Arbeitsweges oder die Anzahl der Haushaltsmitglieder abgefragt wurde. Heute kennt Google den Weg auf den Meter genau, und über das Mobiltelefon kann nachvollzogen werden, in welcher Sekunde eine Person am Arbeitsplatz eintrifft. Von den Haushaltsmitgliedern hat Facebook ein Foto gespeichert.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat mal gesagt, Privatheit sei ein Konzept der Vergangenheit. Damit hat er zwar viele Nutzer gegen sich aufgebracht. Aber daß noch einmal so ein Widerstand wie 1987 gegen die Datenerfassung erwächst, ist nicht zu erwarten. Auch sollte sich niemand darauf verlassen, daß Politiker, Richter oder Datenschützer (siehe dazu Seite 2) die Datenkraken erfolgreich in die Schranken weisen.

Lieber selber aufpassen. Es gibt einige Verhaltensregeln, die dazu dienen, die Preisgabe von Informationen so stark wie möglich einzuschränken. Erstens: Keine Fotos von sich ins Netz stellen oder nur solche, die die Gesichtserkennungssoftware überlisten. Also zum Beispiel eine ausgeschnittene Augenpartei oder eine Zeichnung (JF 8/12).

Zweitens: Auf Ortungsdienste verzichten und damit Bewegungsprofile unmöglich machen. Diese Dienste lassen sich leicht deaktivieren. Dann wissen Facebook und Co. nicht, wo der Nutzer gerade ist.

Drittens: Den „Gefällt mir“-Button links liegenlassen. Das Internet ist inzwischen gepflastert damit. Nicht zu klicken kann von Vorteil sein.

Viertens: Cookies im Browser deaktivieren. Das ist aufwendiger und erschwert das Surfen, weil manche Seiten dann nicht mehr richtig zu benutzen sind. Doch diese „Spionagedateien“ speichern, wann jemand welche Seiten aufgerufen hat. Das Wall Street Journal hat die fünfzig wichtigsten US-Netzseiten aufgesucht und sich dabei gleich ungefragt über 3.000 dieser kleinen Textdateien eingefangen.

Fortgeschrittene verwenden mehrere Rechner für unterschiedliche Dinge: einen zum normalen Surfen, einen für Bankgeschäfte und Einkaufsbummel. Profis verfügen zudem über mehrere E-Mailadressen und Konten bei Facebook, die sie nicht unter ihrem richtigen Namen führen.

Natürlich sollten die Computer auch über getrennte Leitungen ins Netz gehen, weil sonst der gemeinsame Zugang den Nutzer verrät. Die Trennung muß strikt aufrechterhalten werden, denn nur dann können die Informationen nicht zusammengeführt werden.

Mal eben bei Facebook reinschauen, das geht dann nicht mehr. Außerdem gehen Chancen verloren, die damit verbunden sind, ortsabhängige Services können nicht genutzt und Synergien nicht ausgespielt werden. Soviel Aufwand muß dem mündigen Nutzer die eigene Privatsphäre schon wert sein.

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