© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Ein Jahr nach Guttenberg und Co.: Versagen des Wissenschaftssystems
Kadettenanstalten der Finanzmärkte
(ob)

Ein Jahr nach dem „Guttenberg-Skandal“ setzt sich der Bremer Zivilrechtler Andreas Fischer-Lescano, der mit der Aufdeckung der Plagiate des Ex-Verteidigungsministers den Stein ins Rollen brachte, kritisch mit der Rolle der Wissenschaft in ihrem Verhältnis zu Gesellschaft, Politik und Wirtschaft auseinander (Blätter für deutsche und internationale Politik, 2-2012). Zwar habe ein breiter Professoren-Protest gegen die politisch versuchte Bagatellisierung  – Merkels Diktum, sie habe den Minister „nicht als wissenschaftlichen Assistenten“ bestellt – des Plagierens zu Guttenbergs Rücktritt erzwungen, zugleich aber das strukturelle „Versagen des Wissenschaftssystems“ offenbart. Denn vor allem rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Institute seien inzwischen nur noch „Kadettenanstalten der Finanzmärkte“. Obwohl diese Disziplinen von jeher in der Gefahr standen, sich von Politik und Ökonomie „kolonisieren“ zu lassen und ihre Autonomie preiszugeben, sei aber in der heutigen „Postdemokratie“ diese „Kultur der Kumpanei“ im Vergleich mit der pluralistischen, durch „Refugien widerständiger Wissenschaftspraxis“ ausgezeichneten Weimarer oder Bonner Republik „grundlegend neu“. Konformistisches „08/15“ werde erstmals zum „akademischen Standardmaß“, was zur „wissenschaftlichen Austrocknung des Gesamtsystems Wissenschaft und Universität“ führe.

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