© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Den Kampf aufnehmen
Wille, Wissen, Ziel: Das Institut für Staatspolitik ergründet die Mechanismen der Macht
Nils Wegner

Früher habe ich den Linken gesagt: Ich will ein Viertel für die Rechte, ein Viertel für die Linke und je ein Viertel für rechte und linke Mitte; und ihr wollt uns unser Stück vom Kuchen nicht geben! Das hat sich inzwischen geändert – heute kämpfe ich nur noch um den ganzen Kuchen.“ Auf diese Worte Karlheinz Weißmanns folge heiterer Applaus. So schließt die diesjährige Winterakademie des Instituts für Staatspolitik (IfS) zum Thema „Macht“.

Am vergangenen Wochenende kamen auf dem Rittergut Schnellroda in Sachsen-Anhalt knapp fünfzig junge Akademie-Teilnehmer zusammen, um entlang einer Vortragsreihe Grundlagen der Macht und ihrer Ausübung zu diskutieren. Darunter waren Verbindungsstudenten, Angehörige bündischer Jugendgruppen und konservative Nachwuchspublizisten.

Am Freitag gab Weißmann eine Einführung in das Thema, die sich am Machtbegriff Friedrich Nietzsches orientierte. Als wirklich elementar stellen sich demnach zwei Erkenntnisse dar: „Macht“ ist untrennbar mit „Willen“, nämlich dem zur Ausübung, verknüpft. Und ein „Wille zur Macht“ verbirgt sich auch und gerade hinter Tun und Reden jener, die Macht diffamieren und begrenzen wollen – sie hoffen, so ihre eigene Macht zu vermehren.

Der anschließende Vortrag Erik Lehnerts über die „Macht des Geistes“ betonte aus philosophischer Perspektive die Grundannahme, daß Geist und Macht untrennbar verbunden seien und sich gegenseitig bedingten. Diverse historische Beispiele belegten die immense Macht des Geistes, insbesondere aus scheinbaren Niederlagen Neues zu schaffen. Dabei stünde aber immer der Widerstand individuellen, „personalen“ Geistes gegen den „objektiven“ Geist, der mit dem „Zeitgeist“ deckungsgleich sein könne, im Vordergrund.

So endete der Vortrag mit der Kernfrage, die auch die Akademieteilnehmer sich in heutiger Zeit gewiß oft stellen: Welcher Motivation bedarf es, um den Kampf aufzunehmen? Dazu schloß sich eine kontroverse Diskussion um die Frage an, inwieweit erst ein „großer Knall“ hingenommen werden müsse, um dem „objektiven Gegengeist“ seinen Weg zu bahnen. Dieser Frage versuchte sich der Althistoriker Michael Stahl geschichtlich anzunähern, indem er den Weg an die Macht des späteren Kaisers Augustus nachvollzog. Darin zeige sich Macht als Rohstoff, als „Potenz im universalen Phänomen der Ungleichheit“. Über Ritualisierungen und Charisma der Führerfigur (man denke an Max Weber) ließe sie sich in Herrschaft transformieren; so sei der Weg von der militärischen Macht Oktavians im römischen Bürgerkrieg hin zur prinzipalen Herrschaft als Augustus erklärlich.

Den Samstagmorgen eröffnete der Historiker und Autor Stefan Scheil mit der Durchleuchtung von Netzwerken und Lobbyorganisationen, die seit 1945 mit aus Amerika stammenden finanziellen Mitteln konforme bundesdeutsche Eliten schaffen und fördern. Durch Karriereverheißungen und blankes Geld ließen sich junge Akademiker zu Macht-Multiplikatoren des „American way of life“ formen, um in Westdeutschland fortan im Sinne der USA zu wirken. Die kulturellen und politischen Verwerfungen der vergangenen fünfzig Jahre seien unmittelbar auf dieses amerikanische Langzeitprogramm zurückzuführen, so Scheil. Viele dieser Netzwerke seien noch heute aktiv.

Einen anderen Teilaspekt beleuchtete Felix Menzel, Herausgeber der Blauen Narzisse, mit seinem Referat über die „Macht der Inszenierung“. Mit anschaulichen Beispielen wies er nach, daß sich die Methoden der Machtinszenierung zur zielgerichteten Prägung des Menschen insbesondere durch den Film seit den zwanziger Jahren nicht verändert haben. Unter Rückgriff auf Kommunikationswissenschaftler hob er dabei insbesondere den Begriff der „Augenblicksmetaphysik“ hervor. Diese werde medial übermittelt und ersetze im säkularen Zeitalter die sozial-emotionale Kraft des gemeinschaftlichen, religiösen Erlebnisses .

Es folgte ein inspirierender Vortrag von Martin Lichtmesz. In einer Meditation über „Ohnmacht und Radikalität“ montierte er die massentheoretischen Überlegungen Elias Canettis mit dem Manifest des „Unabombers“ Theodore Kaczynski sowie der französischen, kulturpessimistischen Umsturzschrift „Der kommende Aufstand“ zu einem argumentativen Leitstrahl hin auf das Postulat, daß mit Hilfe konstruierter, unsichtbarer und allmächtiger Feindbilder – Banken, Terroristen – die instinktive Todesangst im Menschen angesprochen werde, um so Macht über ihn auszuüben. Das Gefühl der eigenen Machtlosigkeit erwecke jedoch wiederum das Verlangen nach Macht; einziger Ausweg aus dieser Malaise sei die Überwindung der Angst.

Diese Ausführungen spornten die Akademieteilnehmer zu einer erregten Diskussion an. Passend zu Lichtmesz’ These wurde am Abend der Politthriller „Der Ghostwriter“ von Roman Polanski gezeigt, der exakt die Inszenierung diffuser Bedrohung zu politischen Zwecken thematisierte. Basierend auf einem Roman von Robert Harris, verweist der Film auf die undurchsichtigen Verflechtungen zwischen dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair und seinem plötzlich verstorbenen Außenminister Robin Cook.

Im Anschluß vertrieben sich die Teilnehmer den restlichen Abend mit Kartenspielen und dem in Schnellroda schon traditionellen Singen von Landsknechts- und jugendbewegten Liedern.

Am Sonntag rundeten der Vortrag des Politikwissenschaftlers Felix Dirsch zur möglichen Auflösung unipolarer Macht in Zeiten von Facebook und Wikipedia sowie eine geschichtliche Abrechnung Karlheinz Weißmanns mit „soft power“, der in den USA entwickelten „sanften Macht“ durch Propaganda, Lobbyismus, PR-Maßnahmen und ideologische Infiltration, die Akademie ab. Nach einer letzten gemeinsamen Mahlzeit traten die IfS-Schüler ihre jeweiligen Heimwege an – inspiriert und motiviert. Sollten sich noch der Wille und ein Ziel einstellen, so könnten die jungen „Neurechten“ den Ertrag dieses Wochenendes, nach Weißmann, gar in Macht ummünzen.

Kontakt: Institut für Staatspolitik, Rittergut Schnellroda, 06268 Steigra, Telefon (Büro Berlin): 030 / 75 54 98 78

 www.staatspolitik.de

Foto: Teilnehmer der IfS-Akademie zum Thema „Macht“ in der Bibliothek des Ritterguts Schnellroda: Vorträge und angeregte Diskussionen bis in den Abend hinein

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