© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Pankraz,
Ralf Bönt und das entehrte Geschlecht

Von der nüchternen Analyse zum Verzweiflungsschrei. Ende 2003 erschien zum Thema Geschlechterrollen das Buch „Das bevorzugte Geschlecht“ von Martin van Creveld, ein wissenschaftlicher Wälzer mit 500 Seiten Fakten, Fakten und nochmals Fakten. Heute, knapp zehn Jahre später, ist auf der Buchmesse zum selben Thema gerade mal ein Bändchen zu besichtigen: „Das entehrte Geschlecht“ von Ralf Bönt – ein „Manifest“, das kaum neue Fakten offeriert,  dafür aber in dramatischster Pose den Leser um Mitleid und Hilfe anfleht.

Man darf vor der Lektüre raten, welches Geschlecht in den jeweiligen Büchern gemeint ist. Es ist nicht zweimal dasselbe, sondern Creveld meint die Frauen, Bönt die Männer. Und während Creveld seinerzeit ganz gelassen blieb, zittert Bönt auf jeder Seite geradezu vor „Engagement“. Er hat es mit der „Unterprivilegierung der Männer“. Diese habe in den letzten Jahren fast rassistische Ausmaße angenommen. Den Männern würden nicht nur systematisch Jobs, Lebenschancen und Stolz geraubt, sondern sie würden mit voller Absicht regelrecht gedemütigt, eben „entehrt“.

Bönt, Jahrgang 1963, lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin und fiel bisher durch sein gelegentliches öffentliches Eintreten für die SPD auf. Wie kommt ein solcher Linker zu so harschen, verzweifelten Tönen? Er ist studierter Physiker und arbeitete eine Zeitlang an der berühmten Hadronenschleuder CERN in Genf. Ein Typ der heiligen Nüchternheit also. Und er hat nach eigener Bekundung den Feminismus früher immer sehr begrüßt, sich über dessen Erfolge gefreut. Woher jetzt seine Panik?

Nun, leider sei der Feminismus „in eine Sackgasse geraten“, lesen wir. Und die SPD warte inzwischen mit Slogans auf wie „Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden“. Die Männer würden heute in der Öffentlichkeit zu „Mindermenschen“ gemacht, zu „Wegwerfwesen“. Ihre Sexualität etwa gelte „in Nachrichten und Unterhaltung entweder als das Lächerliche oder als das Böse schlechthin“. Es entstehe eine Kultur des Dauerverdachts: „Väter, die auf Spielplätzen anwesend sind, werden sofort als Triebtäter verdächtigt und müssen sich von Polizisten befragen lassen.“

Was soll man gegen solche grausame Diskriminierung tun? fragt Bönt in seinem Manifest – und gibt sich selbst die Antwort: Man muß die Dinge ehrlich beim Namen nennen! Aber ist das wirklich das richtige Rezept? Ist die Quelle des Erfolgs in unserer so sehr von den Medien bestimmten Welt nicht vielmehr die bewußte Verfälschung, zumindest Übertreibung von Tatbeständen und die ewige, routinemäßige Wiederholung?

Frauen, so vor zehn Jahren Martin van Crevelds Resümee in seinem Faktenbuch, waren und sind in der Regel (und in der Gegenwart des Westens sowieso) nicht unterprivilegiert, sondern überprivilegiert. Sie haben es gemütlicher, sie leben beträchtlich länger, sie müssen (mußten) viel seltener in den Krieg ziehen, sie haben mehr Gelegenheit, sich zu pflegen und zu konservieren, sie genießen viel mehr öffentliche Rücksichtnahme. Und wenn es um Leben oder Tod geht und die Devise „Rette sich, wer kann!“ ausgerufen wird, gilt sowieso und unter allen Umständen: „Ladies first!“

Die gegenteilige Perspektive, die ja hierzulande drückend dominiert, verdankt sich, so weiter Creveld, einzig weiblicher Dauerpropaganda, einem ewigen Klagen und Barmen, das sich durch die Jahrhunderte zieht und inzwischen vor allem in den Dauerruf nach „Quoten“ für alles und jedes eingemündet ist. Im Vergleich zu dieser Taktik nehmen sich der Stil und die argumentative Reichweite des Bönt-Manifestes nachgerade piepsig aus!

Weshalb jedoch ausgerechnet heute jener wüste Feminismus mit seinen ewigen Kampagnen und Übertreibungen? Ganz offenbar steht der „Geschlechterkrieg“ in engem Zusammenhang  mit weiteren, umfassenderen Bewegungen der Epoche, ist Bestandteil und Ausdruck jener großen Gleichmacherei, Einebnung und Entsublimierung, die die Welt im Zeichen ungehemmter Profitwirtschaft, „wissenschaftlich“ ausgedachter Globalkonzepte und massenhafter Internet-Rüpeleien ergriffen haben. Hier sind die Frauen existentiell tatsächlich in die Hinterhand geraten.

In der Ordnung der natürlichen Arbeits- und Interessenteilung zwischen Mann und Frau sind sie ja das beharrende, konservative Element, das Element der Differenz und der Innerlichkeit. Sie bauen das Nest und behaupten die Stellung, definieren die Heimat, machen ein Geheimnis aus ihr und verteidigen sie gegen zerstörende, alle Verhältnisse grell ans Licht zerrende Einflüsse von außen. Und in einer Zeit wie der unseren, die just das Grelle, Geheimnislose und überall Gleiche zum Prinzip und zur Meßlatte erhebt, finden sie sich folglich mit ihren natürlichen Gaben plötzlich im Nachteil.

Und sie reagieren darauf, indem sie überreagieren, indem sie gleichsam gänzlich von sich Abschied nehmen, um endlich „auch so wie die Männer“ und sogar „besser, männlicher als die Männer“ zu werden. Der Feminismus hat überall dort, wo er siegreich war, keine (im Sinne von Simone de Beauvor) „andere“, nämlich spezifisch weibliche Kultur geschaffen, wie das etwa einst im Rokoko geschah, sondern was wir heute erleben, ist eine komplette Anpassung der Frauen an die Männerwelt, die sie übertrumpfen wollen und die sie dabei nur allzuoft ins Degoutante und politisch Verhängnisvolle hineintreiben.

Der Forderungskatalog von Bönts Manifest klingt im Licht solcher Tatsachen ein bißchen allzu kleinlaut. Die Männer, heißt es bei ihm, wollen künftig „sorgsamer mit sich selbst umgehen“, sie wollen sich „mehr um ihre Kinder kümmern dürfen“, sie fordern „das Recht auf eine Sexualität jenseits von Diffamierung“. Schön und gut. Wenn man es aber nicht wagt, auch der aktuellen Frauenwelt einige (ach so nötige!) Forderungen abzuverlangen, stattdessen die ganze aktuelle Misere immer nur auf die Polizei schiebt, hilft das schönste Manifest nichts.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen