© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Der Ausstieg ist machbar
Euro-Krise: Niederländer lassen Kosten für ein Ausscheiden aus der Währungsunion berechnen
Bernd-Thomas Ramb

Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa.“ An dieses Ammenmärchen, das von Bundeskanzlerin Angela Merkel bis zum Erbrechen wiederholt wird, glaubt mittlerweile ernsthaft keiner mehr. Eher beeindrucken Drohrechnungen über die Kosten der Beendigung des politischen Währungsabenteuers. Die schweizerische Großbank UBS hat angeblich errechnet, daß für jeden Deutschen im ersten Jahr nach einem Euro-Ausstieg 6.000 bis 8.000 Euro und in den folgenden Jahren 3.500 bis 4.500 Euro jährlich an Kosten anfallen würden. Nachvollziehbar ist diese Rechnung kaum, zumal die UBS auf eine Veröffentlichung der Studie im Internet verzichtet hat.

Anders geht dagegen die Studie des bankenunabhängigen Instituts „Lombard Street Research“ in London vor, die im Auftrag der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV) erstellt wurde: „The Netherlands & The Euro“ behandelt zwar vornehmlich die Kosten, die auf die Niederlande zukämen, wenn der Euro aufgelöst würde, die Beträge sind jedoch auf deutsche Verhältnisse aufrechenbar. Der Auftraggeber, die PVV, hat keineswegs ein Gefälligkeitsgutachten erstellt bekommen.

Kritiker werden die Untersuchung gleichwohl bemängeln, nur weil der Parteivorsitzende Geert Wilders heißt. Immerhin ist die PVV drittstärkste politische Kraft und seit 2010 Tolerierungspartner der liberal-christdemokratischen Minderheitsregierung von Premier Mark Rutte. Im Gegensatz zu einer bankengebunde Analyse oder gar einem regierungsinternen Elaborat hat das Londoner Institut mit dem Leitspruch „Independent – Objective – Creative“ (unabhängig – objektiv – kreativ) seinen wissenschaftlichen Ruf zu verlieren.

Die britische Studie startet konsequenterweise mit einem Ausblick auf die Kosten, die in den nächsten Jahren auf die Euro-Länder zukommen, wenn der Euro beibehalten wird. Zunächst stehen dabei die unmittelbar zu zahlenden Geldbeträge an die notleidenden Euro-Staaten im Mittelmeerraum an: Für Griechenland und Portugal liegen die Zahlungen fest, für Italien und Spanien wird jeweils ein optimistisches und ein pessimistisches Szenarium entwickelt. Im Ergebnis werden nach der Schätzung der Londoner Wirtschaftsforscher im Jahr 2011 etwa 328 Milliarden Euro, 2013 dann 365 Milliarden Euro, 2014 sogar 382 Milliarden Euro und 2015 186 Milliarden Euro Transferzahlungen fällig – insgesamt mehr als 1,2 Billionen Euro nur bis 2015.

Das ist aber nur die optimistische Sicht. Bei pessimistischer Einschätzung lauten die Zahlen für 2012: 778 Milliarden, 2013: 638, 2014: 605 und 2015: 385 Milliarden Euro. Ein sofortiges Ende des Euro wäre demnach ein echter Gewinn, selbst wenn die Kosten der Währungsauflösung 2,4 Billionen Euro betragen würden. Die unmittelbaren Geldüberweisungen sind jedoch nicht der einzige Kostenfaktor. Die Beibehaltung der Euro-Währung verursacht auch indirekte Kosten, insbesondere durch das eingeschränkte Wirtschaftswachstum. Die JF berichtete bereits in einer eigenen Studie darüber (JF 6/12, S. 10).

Dabei sollte sich der Nutzen der gemeinsamen Währung gerade in einem beschleunigten Wirtschaftswachstum niederschlagen. Nun wird aus dem vermeintlichen Euro-Nutzen ein kostspieliger Negativposten, der durch eine Währungsauflösung beseitigt werden könnte. Gleiches gilt für die Inflationskosten, die durch die Beibehaltung der Euro-Währung entstehen. Um diese zu vermeiden, dürften sich die mutmaßlichen Ausstiegskosten entsprechend erhöhen.

Weitere Details der Studie gehen stets in die gleiche Richtung. Der Euro verursacht Kosten in Billionenhöhe, die durch die Beendigung des Währungsabenteuers vermieden werden könnten. Je mehr Kostenaspekte sich offenbaren, um so größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß die möglichen Auflösungskosten darunter liegen. Ein aus deutscher Sicht besonders interessantes Detail der Studie hinsichtlich der versteckten Euro-Währungskosten ist die Entwicklung der Konsumausgaben.

Bis zur Euro-Einführung entwickelten sich die niederländischen Konsumausgaben im Vergleich zu Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien überproportional ansteigend. Deutschland lag dabei an letzter Stelle. Seit 2001 ist das niederländische Konsumvermögen vollständig abgeflacht. Nur Spanien und Frankreich haben zugelegt, und Deutschland bildet wieder das Schlußlicht. Also auch im Wachstum des Konsumniveaus weist der Euro ein negative Bilanz auf – vor allem für die Deutschen.

Die Forscher von Lombard Street Research entwickeln zum Abschluß ihrer Analyse ein vierfaches Szenarium des Euro-Endes. Zunächst wird skizziert, was ein Austritt Griechenlands und Portugals zur Folge hätte, anschließend werden die Länder Italien und Spanien zusätzlich aus dem Euro entlassen. Im dritten Gedankenspiel verlassen die Niederländer zusammen mit den Deutschen das Euro-Land, und schließlich wird der alleinige Austritt der Niederlande aus der Euro-Währung untersucht.

In den letzten beiden Szenarien bestehen die Kosten, die den Niederländern (und entsprechend den Deutschen) entstehen, hauptsächlich im Wertverlust der Wertpapiere, die in Euro gehalten werden. Selbst wenn die darin enthaltenen Staatsanleihen vollständig abgeschrieben werden müßten – der Verlust läge weit unter den Kosten, die ein Weiterverbleiben in der Euro-Währung verursachen.

Zumal, wie im Falle Griechenlands bereits geschehen, auch eine Aufrechterhaltung des Währungsverbundes nicht vor massiven Verlustabschreibungen schützt. Allein die deutschen Steuerzahler haben 14 Milliarden Euro zum „freiwilligen“ Schuldenschnitt bereits beigetragen. Das viele Geld wäre besser für die Finanzierung des Euro-Endes ausgegeben. Der Euro-Ausstieg rechnet sich aber immer noch.

Die komplette Studie „The Netherlands & The Euro“ vom Institut „Lombard Street Research“ findet sich im Internet:  www.pvv.nl

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