© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Die EZB verabschiedet sich als Garantin von Preisstabilität
Der geheime Schuldenkiller
Patrick Eichenberger

Bedeutet Schuldenfreiheit nicht ein Stück Unabhängigkeit? Ist daher der Umkehrschluß zulässig, wonach aus einer wachsenden Staatsverschuldung eben Abhängigkeit folgt? Warum also Verschuldung überhaupt erst zulassen; schließlich kennt doch jeder die Binsenweisheit, daß nicht mehr ausgegeben werden kann, als was in der Geldbörse bereitliegt. Doch nur im Jahr 2000 wurden Schulden getilgt, als aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen über 99 Milliarden D-Mark in die Staatskassen gespült wurden. Das ließ eine einmalige Nettotilgung von etwa 66 Milliarden D-Mark zu.

Doch Politiker sind auf ein Ziel fokussiert: gewählt werden! Damit sind nicht nur sie für die Schuldenmisere verantwortlich, sondern eben auch die Bürger, die immer mehr nach öffentlichen Leistungen verlangen, bequem Eigenverantwortung an den Staat abgeben und so periodisch auf die Lockvogelangebote der Politik reinfallen, indem wir von deren Blenderversprechen geködert werden! Diese untragbar gewordene Entwicklung erklärt auch, warum die Zunahme der Staatsverschuldung einer neugewählten Regierung in der Regel im ersten Amtsjahr am höchsten ist. Neuverschuldungen dienen daher als Schweigegelder zur Eindämmung von Unzufriedenheit als auch zur teilweisen Einlösung von Wahlversprechen.

Sündenböcke in der aktuellen Euro-Schuldenkrise sind deshalb weder die Politiker, die das nicht vorhandene Geld versprochen, noch die Stimmbürger, die diese Leistungen mehrheitlich konsumiert haben. Es sollen die Spekulanten und Banken sein, die nun mit einer Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB) zinsgünstig gefügig gemacht werden, um die EU-Wohlfahrtsgesellschaft weiter zu finanzieren und uns, die Bürger, vor dem alternativ drohenden Abstieg zu bewahren. Geschickt hat EZB-Chef Mario Draghi die Zinsschraube auf rekordtiefe 1,0 Prozent abgesenkt und sich damit zugleich als Hüter der Preisstabilität verabschiedet.

Wer heute noch glaubt, in der Euro-Zone gebe es eine Inflation von zwei bis drei Prozent, der glaubt auch an den Weihnachtsmann mit rosa Rentier. Jeder haushaltführende Bürger ahnt, daß die tatsächliche Geldentwertung wohl das Doppelte beträgt. Die langsam anziehenden Preissteigerungen werden die Seriösen, Braven und Schwachen am härtesten treffen – Sparer und Rentner nämlich, die für Politiker uninteressant sind und deren Lobby noch bedeutungslos ist.

Allerdings könnte eine Kombination aus Inflation von fünf bis zehn Prozent und einer wirksamen Schuldenbremse von maximal 0,5 Prozent Nettoneuverschuldung ein Absenken der Staatsschulden begünstigen und ein Zurück auf die Maastricht-Grenze von 60 Prozent des BIP binnen acht bis zehn Jahren ermöglichen – sofern die Euro-Zone dann noch nicht auseinandergebrochen ist. Aber bis dahin sind europaweite Unruhen oder Pleiten in jedem Fall programmiert.

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