© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/12 16. März 2012

Wenn Rita Süssmuth sibyllinisch lächelt
Geschlechterpolitik: Eine Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zum Weltfrauentag kreist vor allem um sich selbst
Nils Wegner

Get rid of the Dad in your Head“ – werde den Vater in deinem Kopf los. Die grotesk gekleidete junge Sängerin auf der Bühne kreischt ins Mikrofon, und das überwiegend weibliche und graumelierte Publikum spendet artig Beifall. Die Reihen der Zuschauer haben sich allerdings schon deutlich gelichtet, denn nebenan wurden inzwischen die Schnittchen aufgetragen – so geht ein Großteil der „melodramatischen Popmusik“ des Berliner Duos „Fräulein Bernd“ ins Leere. Mit dieser Ignoranz gegenüber der kleinkünstlerischen Thematisierung „menschenverachtender Diskurse wie Sexismus, Rassismus und der neoliberalen Leistungsideologie“ geht die Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zum internationalen Frauentag zu Ende. Eine Institution, die auf eine Initiative der deutschen Sozialistin Clara Zetkin auf der „Zweiten Internationalen sozialistischen Frauenkonferenz“ in Kopenhagen 1910 zurückgeht.

Rund zweihundert Gäste hatten sich vergangene Woche in den Berliner Räumlichkeiten der Stiftung zum Symposium „Gender reframed – Geschlechterpolitik, die funktioniert“ eingefunden. Die Ebert-Stiftung hat dazu acht Gäste eingeladen, die aktiv an der Umsetzung von „Gender“-Aspekten in  Deutschland und Österreich beteiligt sind. Sie alle haben Aufsätze zum neuen Sammelband „Erfolgreiche Geschlechterpolitik“ beigesteuert und sollen nun Rede und Antwort stehen. Dies geschieht in Form eines „World Cafés“ , das heißt: Rund um den großen Saal des Stiftungsgebäudes sind kleinere Sitzgruppen angeordnet, in denen sich die Zuhörer in zwei Etappen um den Referenten ihrer Wahl scharen können.

Den Anfang macht jedoch das FES-Vorstandsmitglied Roland Schmidt. Angesichts eines zu fast neunzig Prozent aus Frauen bestehenden Publikums wirkt es etwas grotesk, wenn er als Mann in seiner kurzen Begrüßung vielfältige Lobpreisungen auf die erfolgreichen „Gender“-Aktivistinnen (unter den Gesprächspartnern ist lediglich ein Mann, der gemeinsam mit seiner hochschwangeren Kollegin auftritt) ausbringt und insbesondere die Arbeit seiner Stiftung hervorhebt, die auf der ganzen Welt für „geschlechtergerechte“ Politik eintrete. Gerade angesichts des „Arabischen Frühlings“ biete sich hierbei die Möglichkeit, auf den Abbruch überholter, patriarchalischer Strukturen hinzuarbeiten.

Zu diesem Thema wird im Anschluß, da man „auch einmal Erfolge präsentieren möchte“, ein Blick zurück gewagt. Diese Aufgabe fällt der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) zu. Ihre Anekdötchen aus Parteiarbeit und geschlechterpolitischem Engagement werden von der Zuhörerinnenschaft mit bravem Gelächter quittiert, insbesondere bei Seitenhieben auf die politisch konkurrierende Konrad-Adenauer-Stiftung. Als Däubler-Gmelin im Auditorium dann auch noch die CDU-Politikerin Rita Süssmuth ausmacht, steigert sich die sozialdemokratische Selbstgerechtigkeit ins Unermeßliche – und Süssmuth spielt das Spiel, sibyllinisch lächelnd, mit.

Im folgenden gibt Barbara Stiegler, „Gender“-Pionierin der FES, einen Ausblick auf die „Struktur-Perspektive“. Das bedeutet vor allem, welche Arbeit noch vor den Engagierten liegt. Schließlich gebe es mit den Themen Arbeitsrecht und Lohnsektor noch weite Felder der „Geschlechterungerechtigkeit“ zu beackern. Dazu äußern sich im „World Café“ auch die Referenten – da ist von autonomer Frauenarbeit in Österreich die Rede, von der akademischen Herablassung der „Gender Sciences“ gegenüber „Gender Politics“ und in vielfältiger Weise von der Zumutung, mit Kristina Schröder (CDU) eine Frauenministerin vor der Nase zu haben, die nicht nach der Pfeife der „gender“-konformistischen Einheitsfront tanzen will.

Letztlich ist das Symposium der Stiftung eine unverhohlene Lobbyveranstaltung für die SPD. Darüber können auch die schrillen Töne des linken „Fräulein Bernd“ nicht hinwegtäuschen. So bleibt denn schließlich bei einer weißhaarigen Besucherin offensichtlich Frustration, als sie im Fortgehen murmelt: „Darüber, was die jetzt als nächste Schritte anpreisen, haben wir schon vor 30 Jahren diskutiert!“ Seltsam mutet auch an, daß die Absicht der Gender-Ideologie – nämlich die Zertrümmerung der naturgesetzlichen Geschlechteridentitäten – nicht offen benannt wird. Nur in Gesprächsgruppen hört man leise Zwischentöne, die von der Verheißung künden: „Man muß die Leute überzeugen, daß es mehr als zwei Geschlechter gibt.“

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