© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Friedrich Schillers Antikebild: Griechische Alpträume
Keine Ode an die Freude
(wm)

Griechenland wurde selbst von den Weimarer Dioskuren nicht ohne Einschränkungen bewundert. Dies glaubt in Zeiten der hellenischen Dauerkrise Volker Riedel (HU Berlin) besonders betonen zu müssen, wenn er Friedrich Schillers Antikebild einer erneuten Überprüfung unterzieht und dessen „Spannungen und Widersprüche“ markiert (Weimarer Beiträge, 4-2011). Im Lauf der 1790er Jahre habe sich die elegische und tragische Dimension im lyrischen wie essayistischen Werk Schillers schärfer konturiert. Sein Griechen-Enthusiasmus spreche sich daher sukzessive erheblich gedämpft aus. Die jubelnden Schlußstrophen seiner „Ode an die Freude“ seien jedenfalls nicht als das letzte Wort der deutschen Klassik zu diesem Thema zu verstehen. Ernst Osterkamp habe bereits bei Schiller die Antike auch als „Alptraum“, als „Inversion des humanen Griechentums“ erkannt. Man solle daher die von Beethoven vertonte Ode nur mit Vorbehalt zu einem „überzeitlichen Identifikationssymbol“ stilisieren. Eingedenk Osterkamps Mahnung, im „Siegesfest“ lasse sich Schillers „schwärzestes Wort zur Antike“ finden. Die „Umkehrung des humanen Griechenbildes“ bei Heinrich von Kleist, Franz Grillparzer oder Heinrich Heine verstärke somit nur die einst mit hohen sozial-utopischen Erwartungen befrachtete Gräkomanie der Weimarer Klassiker.

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