© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

Neue Perspektiven
„Wall Street Journal“ und „Huffi ngton Post“ drängen auf den deutschen Markt / Wer kommt noch?
Ronald Berthold

Der deutsche Medienmarkt ist ins Visier ausländischer Meinungsmacher geraten. 80 Millionen potentielle Leser scheinen interessant zu sein, ein Land mit einer politisch relativ homogenen Medienkultur erst recht. Mit der Huffington Post werden allerdings zunächst einmal die linksliberalen Medien weitere Verstärkung und Konkurrenz zugleich erhalten.

Das von Arianna Huffington einst gegen die Politik George W. Bushs gegründete und bis heute verantwortete Online-Medium ist auf Expansionskurs. Gemeinsam mit AOL möchte sie den alten Kontinent erobern. In Frankreich ist die HuffPo bereits online gegangen. Im März folgt Spanien. Ab Mai soll eine deutschsprachige Ausgabe erscheinen.

Die Huffington Post ist das erfolgreichste Online-Nachrichtenportal der Vereinigten Staaten und hat soeben Spitzenreiter New York Times bei der Zahl der Onlinebesuche (engl. Visits) abgelöst. Erfolgsrezept ist das Boulevardisieren von Nachrichten und das Zitieren anderer Medien. Nebenbei werden die Nutzer mit linkem Zeitgeist infiltriert.

In Deutschland soll die HuffPo von lediglich sieben bis acht Redakteuren gemacht werden. Als Kooperationspartner wird noch nach einem deutschen Großverlag gesucht – wobei Springer und Burda wegen ihrer eher neutralen politischen Ausrichtung offenbar nicht in Frage kommen.

In Frankreich und Spanien kooperiert die Web-2.0-Ikone Huffington jeweils mit linken Verlagen. Die Expansion des größten US-Online-Mediums nach Deutschland verdeutlicht auch den Nachholbedarf, der hierzulande herrscht. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis auch andere kommen.

Seit Januar ist bereits der australische Medienzar Rupert Murdoch in Deutschland aktiv. Der konservative Verleger, der im vergangenen Jahr mit den Abhörmethoden der News of the World in Großbritannien weltweit in die Negativ-Schlagzeilen geriet, hat eine deutschsprachige Ausgabe des Wall Street Journals (WSJ) realisiert – allerdings ebenfalls ausschließlich im Internet. Nach Verlagsangaben arbeiten mehr als 2.000 Journalisten weltweit für das Wirtschaftsmedium. Wenige deutsche Korrespondenten aus Berlin, Düsseldorf und Frankfurt am Main liefern eigene Beiträge. Viele journalistische Arbeitsplätze sind also auch dadurch nicht in Deutschland entstanden.

Mit dem WSJ wendet sich Murdoch noch an kein Massenpublikum, sondern an Investoren und wirtschaftliche Entscheider in Deutschland. Ob er im Falle eines Erfolges mit anderen Projekten nach Deutschland kommt, ist offen. Sollte er dabei seiner politischen Linie treu bleiben, würde er den Medienmarkt aufmischen.

Auch für den erfolgreichsten US-amerikanischen TV-Sender Fox-News könnte die politische Ausrichtung beim Sprung nach Deutschland eine Marktlücke sein. Denn konservative Töne finden sich heutzutage überwiegend in den Kommentarspalten der deutschen Internetmedien.

Das Web 2.0 öffnet ganz neue, ungeahnte Perspektiven für ausländische Großverlage, in Deutschland Fuß zu fassen. Ist die Etablierung eines neuen Printmediums heutzutage schon für deutsche Verleger ein Ding der Unmöglichkeit, war ein solches Unterfangen für Ausländer so gut wie aussichtslos. Die Expansion der Vanity Fair auf den hiesigen Zeitschriftenmarkt blieb eine Ausnahme und wurde mit ihrem Scheitern zu einem Menetekel für andere Projekte.

Online jedoch gehen die Verlage kaum ein Risiko ein. Vertriebswege und Redaktionsmannschaften müssen nicht teuer erkundet beziehungsweise zusammengekauft werden.

Die Huffington Post beispielsweise zählt – Kritikern zufolge – zu den Meistern des billigen „Copy and Paste“, des „Kopierens und Einfügens“. „Unsere Redakteure bekommen dauernd Auffrischungskurse in Sachen Urheberrecht, über korrekte Verlinkung. Beispielsweise darf man nicht mehr als einen Absatz zitieren, dann verlinkt man zur Originalquelle“, versucht die 61jährige vor ihrem Start in Deutschland abzuwiegeln. Ein Dementi klingt anders.

Ihr für die ausländischen Aktivitäten zuständiger Manager, Jimmy Maymann, macht jedoch vorwiegend inhaltliche Gründe dafür verantwortlich, daß Deutschland ins Visier ausländischer Meinungsmacher geraten sei: „Es gibt in Deutschland Raum für Innovationen. Deutschland ist ein interessanter Markt für Nachrichtenangebote.“

Viele potentielle Leser verheißen viele Klicks und damit verkaufbare Werbefläche. 2010 soll die HuffPo 30 Millionen Dollar Umsatz gemacht haben. 2011 dürfte sogar noch besser gelaufen sein.

Noch ist nicht entschieden, ob dieses Konzept auf Dauer – und vor allem in Deutschland – erfolgreich ist. Der Axel-Springer-Verlag zum Beispiel setzt mittelfristig auf kostenpflichtige Seiten. Der Internetauftritt der Berliner Morgenpost gilt dabei als Versuchsballon. Einige Nachrichten sind nur gegen Geld lesbar. Dennoch zieht die Zeitung mehr NetzBesucher an als die lokale Gratis-Konkurrenz von Holtzbrincks Tagesspiegel. Trotzdem ist der deutsche Markt noch nicht soweit, daß sich Online-Zeitungen rechnen.

Ausländische Nachrichtendienste. www.huffingtonpost.de  (vermutlich ab Mai) www.wallstreetjournal.de  (bereits online)

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