© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012


Rachefeldzug gegen Verräter
Thriller: „Haywire“ von Steven Soderbergh
Claus-M. Wolfschlag

Es mag an der Verschiebung traditioneller Geschlechterrollen liegen, daß weibliche Figuren mittlerweile als Krimikommissare, Gangsterinnen und Action-Heldinnen ihren festen Platz im Filmgeschäft haben. Möglichenfalls spielt auch die Faszination der verschiedenen Gesichter eine Rolle: die Kombination des attraktiven, gelegentlich zerbrechlich erscheinenden weiblichen Wesens mit dem kämpfenden Raubtier, in das es sich in der nächsten Sekunde verwandeln kann.

Im Science-fiction-Bereich fand man dies beispielsweise drastisch umgesetzt in Roger Donaldsons 1995 gedrehtem „Species“. Im Krimigenre ist die Figur der charmanten und gleichzeitig rücksichtslosen Kämpferin bereits in der Agentin Emma Peel angelegt worden, die in den sechziger Jahren teils im ledernen Ganzkörperdress die britische TV-Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ bereicherte.

Nun hat Regisseur Steven Soderbergh, der Wandler zwischen den Genrewelten, mit dem Agententhriller „Haywire“ seinen Beitrag geleistet: Mallory Kane (Gina Carano) dient der US-Regierung als Geheimagentin für besonders brenzlige Aufgaben. Nach ihrem letzten Auftrag, der Befreiung eines chinesischen Journalisten aus Entführerhand, wird sie nach Irland geschickt. Dort gerät sie in eine Intrige, ein Mord wird ihr untergeschoben. Plötzlich sind die Polizei und eine Gruppe von Profikillern hinter ihr her. In solch bedrängter Lage erkennt Kane, daß Angriff die beste Verteidigung ist, und nur dieser noch ihr Leben retten kann.

Soderbergh traf mit der durchtrainierten Hauptdarstellerin keine schlechte Wahl. Die schauspielerisch fast unbeleckte Gina Carano war nach Anfängen als Basketballerin und einem Psychologiestudium als Martial-Arts-Kämpferin in diversen Sportarenen aktiv. Soderbergh inszeniert Mallory Kane weder als Comic-Figur à la Lara Croft noch als gesellschaftliche Außenseitern. Sie ist also keine Lisbeth Salander, wie in David Finchers überzeugend umgesetztem Remake „Verblendung“. Vielmehr versteht es Kane, sich auch in der Welt des Glamours und gehobenen Lebensstils zu bewegen.

„Haywire“ bietet modernes Action-Kino auf gutem Niveau, das sich wohltuend von bombastischen Feuerorgien verabschiedet und auf die weitaus dezenteren Zweikämpfe verlagert hat. Zudem besticht der Film durch schön eingefangene Ortsstudien, etwa im mit Patina überzogenen Barcelona oder bei einer spannenden und sich ganz langsam steigernden Verfolgungsszene in Dublin.

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