© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/12 09. März 2012

CD: Kreuzweg Ost
Epische Collagen
Nils Wegner

Im überschaubaren Sektor des anspruchsvollen Martial Industrial nahm das österreichische Projekt „Kreuzweg Ost“ seit dem Debütalbum „Iron Avantgarde“ von 2000 eine herausragende Stellung ein. Markenzeichen war die Melange synthetischer Melodien und Sprachfetzen verschiedenster Quellen, vornehmlich alter Spielfilme. So stand, in Ermangelung von realem Gesang, jedes Lied als eine Art akustischer Kurzfilm für sich allein und überließ den Zuhörer seinen eigenen Stimmungen und Assoziationen. Fünf lange Jahre mußte die Fangemeinde auf den zweiten Langspieler „Edelrost“ warten, der diesen Stil konsequent weiterführte und die Hörergunst zu mehren vermochte.

Nach sieben weiteren Jahren erschien nun das dritte Album, „Gott mit uns“ betitelt. Auf dem Deckblatt fährt der Zorn des Herrn in Blitzen und der Gestalt eines schwertbewehrten Engels auf seine ebenfalls geflügelten Widersacher nieder. Bei einer Laufzeit von etwas über einer Stunde und nur neun Liedern weiß man, daß man sich zumindest von der Länge her auf epische Klangcollagen einzurichten hat.

Den Reigen eröffnet „Exitus in Paradisum“ lauernd und sphärisch, mit gebetsartigen Flüsterlauten durchsetzt. Leider gelangt das Lied über seine gesamten achteinhalb Minuten zu keinem Höhepunkt – für ein reines Intro eindeutig zu lang. Dafür legt das anschließende „Calvaria“ von Anfang an Schmiß und militaristischen Pomp vor; garniert mit animalischen Kampfgeräuschen bietet das Lied eine Beschwörung von Kreuzzügen und Deutschordensfahrten. „Stammen“ hingegen kommt wieder mit langsamem Klavier- und Geigenspiel daher. Gleichsam unentwirrbares Murmeln, das aber asiatisch anmutet, komplettiert das Lied zu einem undefinierbaren Klangbild.

Der kriegerisch anmutende Titel „Heiliger Gehorsam“ kommt mit seinem einleitenden Orgelspiel verblüffend beschwingt daher; leicht mag man scheppernde Geräuscheinsprengsel als Schüsse mißdeuten. Dann jedoch beginnen die Sprachsamples eines Initiationsritus für Nonnen, die religiöse Selbstaufgabe und Askese transportieren. Letztlich bleibt es hier, ebenso wie beim martialischen „Thy Will Be Done“, dem Hörer überlassen, sein Urteil zu fällen – dem Album eine Prangerfunktion für die „Unbarmherzigkeit“ der Kirche zu unterstellen, wie es manche Besprechungen tun, ist sicherlich zu kurz gedacht. So erscheint „Black Moon“ als ein sakrales Schlaflied voller Entrücktheit und Epiphanie, während „Geh mit Gott“ mantraartig das Wechselspiel zwischen menschlichem und göttlichem Willen vertont. „Feuertaufe“ oszilliert zwischen düsterer Bedrohlichkeit und stolzem Kampfeswillen, durchsetzt mit Entsetzensschreien und aufpeitschenden Predigten über die Scheidung der Spreu vom Weizen. Den Abschluß bildet das einzige kurze Stück der CD, „Geistige Emigration“, dessen Grundmotiv an italienische Horrorfilmklassiker erinnert, während eine dünne Stimme Worte über ein „Refugium“, einen „geheimen Tempel“ wispert.

Insgesamt wirkt „Gott mit uns“ zu unausgegoren; das Album vermittelt keinen geschlossenen Eindruck. Die meisten Lieder sind zu lang und bieten wenig Abwechslung. Für Neuhörer ein leicht verdauliches Erlebnis, die eingefleischte Fangemeinde wird nach so langer Wartezeit enttäuscht sein.

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