© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/12 02. März 2012

„Deutsche Komödianten sind handzahm“
Interview: Erstmals spricht der anonyme Clown (siehe Artikel oben) über die Phantasiefigur, seine Motivation und das liebe Geld
Ronald Gläser

Herr Clown, wie sind Sie darauf gekommen, diese Videos zu machen?

Clown: Auslöser war ein gewisses Ekelgefühl gegenüber Staat, Teilen der Finanzwelt und Medien. Seit Beginn der Finanzkrise wurde dort so viel gelogen, daß sich die Balken nicht nur gebogen haben, sondern durchgebrochen sind. Und danach wurden die Splitter in einem Konjunkturstrohfeuer verheizt.

Noch ein anderes Thema?

Clown: Ein ähnlicher Ekel stellt sich beim Thema Multikulti ein. Die einheimische Bevölkerung durfte niemals demokratisch darüber abstimmen, ob sie durch neue „Fachkräfte“ ersetzt werden will. Die etablierten Parteien haben scheinbar einmütig beschlossen, sich ein neues Volk zu wählen. Diesen Entschluß haben sie umzusetzen begonnen und uns erst Jahre später darüber informiert. Sie erahnen es: Ich bin sehr wütend.

Und da sind Sie auf die Idee gekommen, bekannte Politiker auf die Schippe zu nehmen.

Clown: Diese Wut in einem normalen Blog herauszuschreien etwa schien mir wenig originell. Im Sommer dieses Jahres ist mir dann aufgefallen, wie wunderbar sich unser politisches Spitzenpersonal für krude Comedy eignen würde. Berlusconi ist ein geiler Bock mit Haarteil. Sarkozy ein Kobold mit Napoleon-Komplex und Angela Merkel eine mittelalte übergewichtige Frau in viel zu engen Jäckchen. Außerdem redet sie komisch und schreibt mehr SMS als eine Brigade Schulkinder auf Klassenfahrt. Die Absurdität dieser Figuren ist so offensichtlich, daß sie dem Otto-Normalbürger gar nicht mehr auffällt. Ich habe mir nach dieser Erkenntnis einen Spaß daraus gemacht, die Witzfiguren ihrer roten Teppiche, Limousinen und Leibwächter zu berauben und sie als das zu zeigen, was sie sind.

Wie aufwendig ist das? Wie lange brauchen Sie für einen Film?

Clown: Das Schreiben des Dialogs kostet mich meistens nicht länger als fünf bis zehn Minuten. Dann: Vertonen, Fotos freistellen, Animationen basteln. An den ersten Clips habe ich sicherlich 20 bis 30 Stunden gesessen. Zum Glück ist die Lernkurve steil. Zur Bearbeitung von Standbildern verwende ich Photoshop. Das Sprechen lernen die Figuren durch die Software CrazyTalk. Und in einem handelsüblichen Schnittprogramm fahre ich dann alles zusammen.

Wie viele Leute arbeiten daran?

Clown: Ich arbeite allein.

Was machen Sie beruflich?

Clown: Ein Großteil meiner Videos beschäftigt sich mit Geld und allem was dazugehört. Ich hoffe, daß die Clips auch ein gewisses Verständnis der Materie offenbaren. Rückschlüsse daraus sind zulässig.

Was für Rückmeldungen hatten Sie bislang?

Clown: Das Feedback der Zuschauer ist zu 90 Prozent auf einen Nenner zu bringen: Endlich sagt es mal einer! Ich konnte mir diese Reaktionen anfänglich nicht erklären, da ich kein Fernsehen schaue und mich im deutschen Polit-Kabarett-Betrieb nicht auskenne.

Sie schauen kein Fernsehen?

Clown: Nein. Nach ein wenig Recherche auf Youtube ist mir die Situation aber klargeworden: Das Komödiantentum in Deutschland ist ein handzahmer, selbstreferentieller Zirkel, der jedes Denkverbot sorgsam umschifft, dessen Protagonisten selten einmal einen Seitenhieb gegen die Political Correctness führen.

Was würden Sie Ihren Fans sagen?

Clown: Ich bin überglücklich, daß so viele unterschiedliche Menschen meine Clips sehen. Darunter sind viele, die sich nicht dogmatisch festlegen wollen. Kürzlich bekam ich sogar eine überschwengliche Mail von einem jungen Herren aus dem Dunstkreis der Hackergruppe Anonymous. Eine solche Vielfalt freut einen politischen Nomaden wie mich.

 

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