© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/12 02. März 2012

Island kommt ohne Euro und Rettungspakete aus der Finanzkrise
Merkels Alternative
Wilhelm Hankel

Angela Merkel sollte einen Staatsbesuch in Island machen. Dort könnte die Kanzlerin das Wunder studieren, das sie mit ihrem Finanzminister bisher ergebnislos sucht: wie sich ein Staat aus der Finanz- und Schuldenkrise rettet – ohne Hilfe von außen. Freilich hat es dort auch nie einen Euro gegeben. Der Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007/08 hatte den Inselstaat ebenso böse erwischt wie der des Eyjafjallajökull. Sein Bankensystem kollabierte mit einer Bilanzsumme des Zehnfachen der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Es hatte sich mit fragwürdigen Finanzprodukten, bezahlt mit dem Geld ausländischer Investoren, verspekuliert. Diese hatten die Isländische Krone für sicher und attraktiv gehalten; sogar die Weltbank, die Europäische Investitionsbank und deutsche KfW-Bank nominierten Anleihen in dieser Währung. Die isländische Regierung und Zentralbank lehnten jedoch Hilfe für ihre verzockten Banken ab. Vorrang hatte für sie die Auszahlung inländischer Sparkonten (garantiert bis 20.887 Euro). Auslandsanleger wurden in Kronen entschädigt, nachdem diese um fast die Hälfte abgewertet worden waren. Prozesse dagegen (aus England und den Niederlanden) wurden per Referendum gekippt, die nicht genehmigte Kapitalausfuhr verboten.

Island litt schwer unter dem Ausfall von Banken, Krediten und Kapitalzuflüssen aus dem Ausland. Die Wirtschaftleistung ging 2009/10 um zehn bis zwölf Prozent zurück, die Arbeitslosigkeit stieg von annähernd Null um denselben Prozentsatz an. Hilfe von außen (USA, EU, Eurozone) war nicht zu bekommen. Rußland zog einen in Aussicht gestellten Hilfskredit zurück. Lediglich von den skandinavischen Verwandten kam etwas Entlastung.

Doch jetzt hat Island das Tal der Tränen durchschritten. Für dieses Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent erwartet, während es in der EU stagniert und in den Krisenländern der Euro-Zone noch weiter einbrechen wird. IWF, Finanzmärkte und Ratingagenturen überbieten sich in Lob für die nirgendwo auf der Welt erreichte Gleichzeitigkeit von Schuldenabbau und Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums. Island-Anleihen haben wieder einen Markt und rechnen sich mit knapp fünf Prozent, weit unter den „Zitterprämien“ für griechische oder portugiesische Papiere; das Island-Rating liegt mit BB+ wieder über Ramschniveau.

Was lehrt das Island-Beispiel? Jeder Staat kann einer Schuldenkrise Herr werden, auch ohne „Rettung“ von außen. Nur darf er weder Konkurse verschleppen noch Dritten aufbürden. Die Währung ist abzuwerten; denn nur so wird man als Schuldnerland wieder wettbewerbsfähig und kreditwürdig. Auslandsgläubiger („Spekulanten“) sind an ihren Konkursschäden zu beteiligen.

Das Island-„Wunder“ ist auf jedes Euro-Land übertragbar, vorausgesetzt es kehrt zu seiner nationalen Währung zurück. Dann kann es handeln. Diese Erkenntnis sind die Island-Reisespesen wert, denn dort finden Merkel, Schäuble & Co. die Alternative zur Euro-Rettung.

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