© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/12 02. März 2012

Fernsehen und Feminismus
Alices Alptraum
Birgit Kelle

Zwanzig Frauen hecheln schmachtend einem jungen Mann hinterher, der sich nach eingehender Fleischbeschau der Kandidatinnen dann eine fürs Bett aussucht – was sich irgendwie nach Steinzeit oder zumindest nach orientalischem Harem anhört, war der Plot der RTL-Erfolgssendung „Der Bachelor“, die im Finale höhere Einschaltquoten erreichte als das parallele Spiel des FC Bayern in der Champions League. Ein fleischgewordener Männertraum, für den sich nach 100 Jahren Frauenbewegung junge, gutaussehende Frauen im 21. Jahrhundert hergeben. Mehr traditionelles Rollenverständnis geht fast nicht. Der Mann als Jäger, die Frau als Beute.

Das muß einem nicht gefallen – mir auch nicht –, aber man muß es jedenfalls zur Kenntnis nehmen. Denn die Zuschauerzahlen speisen sich nicht aus lechzenden Männern, sondern in der Mehrheit aus Frauen. Hat der ganze Feminismus denn gar nichts gebracht, wird sich die eine oder andere Protagonistin der Alice-Schwarzer-Generation sicher haare-raufend fragen angesichts solcher Sendungen, die sich nahtlos einreihen in Topmodel-Castingshows oder auch zu dem täglich neuen nackten Mädchen auf Seite eins der Bild?

Nun, es zeigt zumindest eines: Trotz Frauenbewegung und trotz Gender Mainstreaming läßt sich die Biologie des Menschen nicht austricksen. Dabei ist es schon nahezu tragisch, daß angesichts einer Welt, die ihnen zu Füßen liegt, junge Frauen die Fülle der Möglichkeiten, die sie heute haben, nicht nutzen und sich stattdessen darauf zurückziehen, was aus Frauensicht schon immer funktioniert hat: sich einen reichen Kerl angeln und/oder schön sein.

Und es zeigt noch etwas: Daß ich eine Freiheit oder ein Recht besitze, heißt nicht, daß ich diese auch nutze. Was sich alle paar Jahre an den Wahlurnen beweist, ist bei der Frauenbewegung nicht anders. Es ist das Verdienst des Feminismus, daß er den Frauen die Türen geöffnet hat zu der Welt, hindurchschreiten müssen sie aber schon alleine. Man kann ihnen die Errungenschaften der Emanzipation nicht hinterhertragen.

Vielleicht haben Alice & Co. aber auch einfach ignoriert, daß es Frauen gibt, die sich in ihrer Rolle als Frau recht wohlfühlen und gar nicht ausziehen wollen in die Welt, um darin ein besserer Mann zu werden.

 

Birgit Kelle ist Journalistin und Vorsitzende des Vereins Frau 2000plus sowie Mitglied der New Women for Europe.

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