© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Der Flaneur
Der Eiskunstläufer
Ellen Kositza

Auf dem Marktplatz haben sie eine Fläche vereist. Klar ist es kalt, richtig cool wird es durch das Banner mit der Aufschrift Volx-ICElauf, das im eisigen Wind zittert. Aus einer warmen Bude heraus heizt ein Junggebliebener mit Russenmütze dem Volk ein. Aus den Boxen dröhnen, untermalt von launigen Anmoderationen und kessen Zwischenrufen („Hilfe, wer holt die Kuh – äh die Mutti vom Eis!?“), die „Hits der Achtziger und das Beste von heute“.

Die glühweinselige Heiterkeit tangiert jenen Läufer nicht, der seine scharfen Kurven zieht. Ernsten Blicks, konzentriert und lässig zugleich, flitzt er dahin. In den Ohren stecken Stöpsel, er mag etwas radikal Anderes hören. Man weiß es ja nicht: einpeitschende Beats oder doch ein Thomas-Bernhard-Hörbuch? Chopin am Ende? Er ist nicht zum Spaß hier! Rasante Volten zieht er um die halb schlitternden, halb purzelnden Kinder, kreuzt messerscharf die Wege der unsportlicheren Mitläufer.

Er hat’s im Griff, keiner wird auch nur berührt auf seinen meisterlichen Abwegen. Sein Problem ist es nicht, daß die Trödeltante strauchelt angesichts des schemenhaft zu erahnenden Rasers, der ihr doch gleich vor die Kufen fahren wird! Tut er eben nicht. Der Meister hat Radius und Bahn exakt berechnet. Es ist schon ein Leid mit diesen Amateuren, die da unbedarft und stümperhaft dem nachgehen, was er als Profession erachtet. Das Kopfschütteln hier und dort nimmt er, in höheren Sphären rauschend, kaum wahr. Falls doch – er kann es leicht dechiffrieren: Es sind Neid und Unverständnis der Minderbegabten.

Als Profi weiß er um die Notwendigkeit regelmäßiger Flüssigkeitszufuhr. Behende flitzt er seiner Thermoskanne auf der Bank zu, bremst mit schräggestellten Kufen ab, daß die Eisspäne weithin stieben. Greift zur Kanne, schenkt sich ein, es dampft. Da kommt dieser Trottel von hinten, dieser Nichtskönner! Mit verbrühten Fingern ist es um die Contenance des Helden geschehen.

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