© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Hexenjagd nach Abhörskandal
Die „Cicero“-Affäre war gar nichts dagegen: Englische Justiz und Verlage gehen massiv gegen investigative Journalisten vor
Robert Grötzinger

Bis zu zwanzig Polizisten stürmten am 11. Februar um 6 Uhr morgens die Häuser von dreißig Journalisten des britischen Boulevardblatts The Sun. Private Dokumente wurden durchsucht, sogar Holzdielen ausgehebelt, beschwerte sich Sun-Mitherausgeber Trevor Kavanagh. Fünf seiner Mitarbeiter wurden festgenommen und verhört. Außerdem ein Polizist, ein Armeeangehöriger und ein Beamter des Verteidigungsministeriums.

Weitere Reporter wurden zuvor schon bei anderen Aktionen festgenommen. Die Razzia war Teil der „Operation Elveden“, die Bestechungszahlungen für Informanten im Polizeidienst untersuchen soll. Nicht nur die Sun ist durch die Vorgänge beunruhigt. Es sei eine „Hexenjagd“ gegen die Presse im Gange, pflichtet ihr die konservative Daily Mail bei.

Sorgen machen sich breit, daß Quellen preisgegeben werden könnten. Indirekt kritisiert Kavanagh sogar seinen Mutterkonzern. Andere wurden deutlicher: Der Eifer, mit dem das „Management Standards Committee“ von Rupert Murdochs News Corp loyale, langgediente Arbeitnehmer an die Polizei auslieferte, habe „Empörung darüber ausgelöst, daß Journalisten den Wölfen zum Fraß vorgeworfen werden, um übergeordnete Interessen des Mutterkonzerns zu schützen“, schreibt Richard Littlejohn in der Mail.

Peter Watt, Ex-Generalsekretär der Labour-Partei, befürchtet ein „Ende des investigativen Journalismus“: „Wollen wir wirklich eine Situation, wo Journalisten festgenommen werden, weil sie Beamte für Informationen bezahlt haben, die eine Korruption beweisen?“

Obwohl: Worum es konkret ging, war offiziell noch nicht zu erfahren. Vielleicht recherchierte die Sun gar nicht Korruptionsfälle, sondern wollte lediglich regelmäßig über den Aufenthaltsort von Royals und anderen Prominenten informiert sein. Scotland Yard und das Innenministerium hüllen sich in Schweigen.

Angesichts der Präzedenzlosigkeit und der Kosten wären eigentlich parlamentarische Anfragen zu erwarten, findet die Mail. Da bislang nichts dergleichen zu hören gewesen sei, vermuten Beobachter einen gezielten Angriff des Establishments auf die Presse.

Britische Zeitungen hatten in den letzten Jahren im Zusammenspiel mit Bloggern Parlamentariern schwer zugesetzt, als in deren Spesenabrechnungen massenhaft Unregelmäßigkeiten ans Licht kamen.

Konzernchef Murdoch tröstet sich indes über die anhaltend schlechten Schlagzeilen über seinen Konzern mit der Ausweitung seiner Boulevardzeitung Sun hinweg. Am Wochenende erscheint erstmals die The Sun on Sunday, die neue Sonntagsausgabe der Sun.

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