© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Zeitschriftenkritik: Auto-Bild Klassik
Heiligs Blechle
Christian Vollradt

Ist Melancholie eine konservative Eigenschaft? Der Rückblick auf „die letzten ihrer Art“ dürfte zumindest vertraut sein, mit welchen Gefühlen auch immer. Daß es etwas eines Tages nicht mehr gibt, gilt für politische Ideen, Standpunkte, Milieus genauso wie im Straßenverkehr.

So hebt die Auto-Bild Klassik, das laut Eigenangaben meistgelesene deutsche Magazin für Old- und Youngtimer, eine ansprechende Geschichte auf den Titel ihrer März-Ausgabe. Mit einer Art Steckbrief wird das „tragische Schicksal“ untergegangener Marken anhand ihres jeweils letzten Modells veranschaulicht. Zu den bekannteren zählen Borgward (JF 37/11), NSU, DKW, Daf oder Simca/Talbot, doch auch echte Exoten oder längst vergessene Protagonisten: Wem sagt noch die Firma Glas etwas, die im bayerischen Dingolfing nicht nur das wirtschaftswunderliche Kleinstwägelchen Goggomobil auf die Räder gestellt hatte, sondern auch ein luxuriöses Achtzylinder-Coupé, das wegen seines edlen Designs nicht zu Unrecht als „Bayern-Maserati“ bezeichnet wird? Außer Auto-Enthusiasten kann wohl niemand mehr etwas mit Iso Rivolta, Panhard, Facel oder Monteverdi anfangen. Daß in Frankreich einst ein respektabler Sportwagen (Alpine) produziert wurde und in Amerika auch jenseits von Detroit Autos (Studebaker) entstanden, ist vielleicht nicht mehr jedem bewußt. Die meisten dieser Marken, die mit ihren Endzeitmodellen in der Liste vertreten sind, sind Opfer eines gnadenlosen Verdrängungswettbewerbs geworden, in dem sich Konzerne – teilweise mit staatlicher Förderung – unliebsame Konkurrenten vom Hals schaffen konnten.

Leise Wehmut stellt sich beim Leser auch ein, wenn er vom Schicksal des nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglichen Kleinwagen-Museums im niedersächsischen Störy erfährt. Hier haben bürokratische Winkelzüge ein privates Unternehmen erstickt und der beträchtlichen Fan-Gemeinde von Lloyd, Messerschmitt-Kabinenroller oder Kleinschnittger ihr liebevoll gestaltetes „Mekka“ genommen.

Wem es auf mehr Hubraum ankommt, dem wird der Vergleichstest von fünf altgedienten „Chef-Limousinen“ (Mercedes W116, 7er BMW, Audi 200, Opel Senator und Volvo 264) interessieren, die unter technischen und wirtschaftlichen Aspekten gegenübergestellt sind. Apropos Wirtschaft: Klassische Fahrzeuge sind – darauf weist die Rubrik „Markt und Meinung“ hin – eine rentable Wertanlage mit Zuwachsraten von bis zu sechzig Prozent. Wer sich Gold nicht leisten kann, sollte also in Blech investieren, um der Euro-Krise zu entgehen. Die Risikobereitschaft ließe sich dann auf abenteuerliche Touren verlagern, wie etwa die in einer Bildreportage beschriebene St.-Gotthard-Passage mit einem knapp sechzig Jahre alten Lanz Eil Bulldog.

So bleibt ein hoffnungsfroh stimmendes Resümee: Die gut erhaltene, liebevoll gepflegte Rarität wird immer wertvoller, je seltener sie in der Öffentlichkeit anzutreffen ist. Vielleicht gilt dies ja nicht nur für Automobile, sondern auch für politische Ideen.

Kontakt: Auto Bild Klassik, Brieffach 3910, 20350 Hamburg. Das Heft kostet 3,90 Euro www.autobildklassik.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen