© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Warum Europas Schuldengrenzen versagen
Ohne Bremskraft
Patrick Eichenberger

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will schon 2014 kräftig auf die Bremse treten, in der Euro-Zone soll die Schuldenbremse die Währungs- und Staatsschuldenkrise zum Stoppen bringen. Beim genaueren Hinsehen dient die Schuldenbremse, deren Einführung in der Euro-Zone Ende 2011 bejubelt wurde, nur der Irreführung der Bürger. Endlich sei die Verwirklichung der Fiskalunion einen Schritt näher gekommen, hieß es nach dem Gipfelbeschluß nahezu elogenhaft. Angela Merkel wurde als eiserne Lady europaweiter Haushaltsdisziplin gefeiert.

Fakt ist, daß nur vier der 17 Euro-Länder unter dem rechtsgültigen Konvergenzkriterium von 60 Prozent kumulierter Schulden vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen. Es sind dies die volkswirtschaftlichen Leichtgewichte Finnland, Luxemburg, Slowenien und die Slowakei, die zusammen rund fünf Prozent des BIP der gesamten Euro-Zone auf sich vereinen. 2010 erfüllte kein einziges Euro-Land das Kriterium der Drei-Prozent-Haushaltsdefizitgrenze. 2011 waren es immerhin fünf Euro-Länder, darunter Deutschland, wenn auch nur knapp und dank guter Konjunkturlage.

Tilgung scheint für öffentliche Haushalte der Euro-Zone ein Fremdwort zu sein, das offenbar nur für private Schuldner vonBedeutung ist. Der alternde Wohlfahrtskontinent Europa lebt seit Jahrzehnten über seine Verhältnisse und versucht verzweifelt, mit einem Mix aus Notenpresse und Schuldenvergemeinschaftung sein Wohlstandsniveau zu halten.

Begrifflich wurde die Schuldenbremse den Eidgenossen entlehnt, die diese Fiskalregel bereits 2001 eingeführt hatten. Im Gegensatz zur Schweizer Schuldenbremse sind das deutsche Pendant (seit 2009) und die nun beschlossene Euro-Schuldenbremse (ab 2012) keine Regeln, die letztlich auf Tilgung aufgenommener Kredite abzielen. Es soll lediglich eine Begrenzung der Neuverschuldung vorgenommen werden.

Die beschlossene Limitierung dieses Schuldenzuwachses wird im Euro-Raum auf 0,5 Prozent des um Konjunktureffekte bereinigten jeweiligen BIP pro Jahr festgelegt, wobei Rezessionen oder schwere Naturkatastrophen einen höheren, nicht näher präzisierten Wert zulassen. Sanktionen sind erst ab dem Überschreiten von drei Prozent Haushaltsdefizit gemessen am BIP pro Jahr vorgesehen, indem automatisch ein Defizitverfahren eingeleitet würde. Die Konsequenzen bleiben nebulös. Nach nationalem Recht gilt für Deutschland nicht 0,5 Prozent, sondern eine Grenze von marginal strengeren 0,35 Prozent als jährlich noch zulässiger Neuverschuldungswert.

Damit ist klar: Die Schuldenbremse zielt zwar in die richtige Richtung, der Schuldenberg wächst aber weiter. Nur die Geschwindigkeit des Wachstums wird gedrosselt, obwohl der Zinseszinseffekt diese Bremsung selbst abschwächt. Ob das den Bürgern bewußt ist?

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