© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Konkurrenz belebt das Geschäft
Großbritannien: Die alteingesessene British National Party kämpft mit zurückgehenden Mitgliederzahlen und einer neuen Bürgerbewegung
Derek Turner

Genug ist genug“, sagt Paul Golding immer wieder. Der Chef von Britain First hat sich mit seiner im vergangenen Jahr gegründeten Vereinigung viel vorgenommen. „Holen wir uns unser Land zurück“, „Britische Arbeitsplätze zuerst für Briten“ oder „Sag nein zur EU“ steht auf den Plakaten. Die erste „moderne patriotische politische Bewegung“ sei Britain First, heißt es auf der Internetseite der Partei, die in ihren Kampagnen auf die „neueste Technologie“ setzen will. Zu sehen sind Fotos einer kleinen Telefonzentrale, in der drei Männer und eine Frau versuchen, Anhänger zu mobilisieren und Spenden einzutreiben. Ihre Gesichter sind aus Angst vor Angriffen verpixelt.

Mit ihrem Feldzug gegen die politische Korrektheit, die aus Einheimischen „Menschen zweiter Klasse“ gemacht habe, der Sexualisierung der Kinder und der „Islamisierung“ hat sich die junge Organisation viele Feinde gemacht. Anfang Februar demonstrierten einige Anhänger vor dem Parlament. Auf Holzkreuzen hatten die Aktivisten Fotos von Verbrechensopfern angebracht, die aus rassistischen Motiven von Zuwanderern ermordet wurden.

Besonders der Einsatz für die Ende Dezember festgenommene Emma West (JF 51/11) war für die Bewegung eine Art Initialzündung. West war verhaftet worden, nachdem im Internet ein Video veröffentlicht wurde, auf dem die frühere Zahnarzthelferin Schwarze verbal angegriffen hatte. Nach einer Welle von Mord- und Gewaltaufrufen war sie über Wochen in Untersuchungshaft geblieben. Bis heute nehmen die Unterstützer großen Anteil an dem derzeit laufenden Gerichtsverfahren gegen West.

Doch auch innerhalb der politischen Rechten haben sich Britian First und seine Anhänger nicht nur Freunde gemacht. Da neben Golding auch die restliche Führungsriege aus ehemaligen Mitgliedern der British National Party (BNP) besteht, nehmen die Spannungen zwischen beiden Gruppen ständig zu. Besonders Jim Dowson, der frühere Leiter der BNP-Telefonzentrale in Belfast, hadert mit seiner alten Partei. Golding selbst hatte den einzigen Ratssitz in der Grafschaft Kent, einer traditionellen Hochburg der konservativen Torys, inne.

Einige ehemalige BNP-Mitglieder, die ihren Weg zur Britain-First-Bewegung gefunden haben, liegen mit der Partei von Nick Griffin schwer im Clinch. Es geht vor allem um Geld und verletzte Gefühle. Zum Teil werden die Streitigkeiten auch vor Gericht ausgetragen.

Daß die BNP gerade jetzt schwer unter Druck gerät, ist kein Zufall. Die 1982 aus der National Front hervorgegangene rechtsnationale Partei steckt in einer ihrer schwersten Krisen. Noch vor drei Jahren schien ihr Durchbruch ins bürgerliche Lager beschlossene Sache. 6,2 Prozent bei den Europawahlen, 100 Sitze in Stadt- und Gemeinderäten und mehr als 14.000 Mitglieder.

Vor allem in den abgewrackten Industriestädten des englischen Nordwestens mit hohem Zuwandereranteil fühlte sich die weiße Arbeiterklasse zunehmend im Stich gelassen von einer Labour-Party, der mehr an den Stimmen der Minderheiten hauptsächlich pakistanischer und indischer Herkunft als an ihren eigenen Stammwählern gelegen war.

Auf dem Höhepunkt ihrer Macht konnten selbst die etablierten Parteien nicht verhindern, daß Griffin Einfluß auf die Regierungspolitik nehmen konnte. So sahen sich sowohl Tony Blair als auch Gordon Brown in ihrer Amtszeit als Premierminister genötigt, Lippenbekenntnisse zur Einwanderungspolitik abzugeben. Geblieben ist davon wenig.

Kritiker werfen Griffin seit langem einen selbstherrlichen und aggressiven Führungsstil vor. Hatte er die Partei bis 2009 vom Bürgerschreck zur Bürgerlichkeit geführt, scheint ihm ebenjener Pragmatismus, der diese Gratwanderung ermöglichte, immer öfter zu fehlen. Hinzu kommt eine unklare Finanzlage. Ex-BNP-Mitglieder sprechen von Schulden in Höhe von einer Million Euro und tragen ihre Streitigkeiten mit Griffin derzeit sogar ganz offen über den Kurznachrichtendienst Twitter aus.

Mit dem eher bescheidenen Abschneiden bei den Parlamentswahlen 2010, bei denen die Partei auf 1,9 Prozent kam, jedoch 54 lokale Mandate verlor, erreichte der parteiinterne Streit einen weiteren Höhepunkt. Potentieller Rivalen entledigte Griffin sich, indem er loyalere Verbündete in Führungspositionen einsetzte. Mittlerweile sind auch die meisten Kommunalmandate wieder verlorengegangen. Trotz der Schwäche der BNP tut sich Britain First bei der Suche nach Verbündeten schwer.

Zwar seien die meisten Mitglieder „engagierte Patrioten“, beteuert Golding, die meisten von ihnen hätten jedoch kein Interesse, an den durch die Medien bestimmten Wahlen teilzunehmen. Viele wollten lieber praktisch handeln und sich vor Ort engagieren. Immer wieder wird dabei auf die „demütigenden“ Wahlergebnisse der BNP verwiesen, die nach Ansicht von Britain First zwar „anständige Wahlkämpfer“ habe, deren Führungsriege jedoch völlig diskreditiert sei. „Britain First bietet ein vollkommen neues Ethos“, verspricht Golding. Kampagnen und lokaler Aktivismus ständen im Mittelpunkt.

Vieles klingt nach der amerikanischen Tea-Party-Bewegung und der English Defence League (EDL). Letztere will vor allem den Islamismus und die Ausbreitung der Scharia bekämpfen (JF 14/11). Die Gruppierung hat weder Promi-Unterstützer noch Förderer bei den Medien und setzt sich vor allem aus Angehörigen der Arbeiterklasse zusammen.

Wie Britain First distanziert sich auch die EDL von der BNP und arbeitet stattdessen mit der im November 2010 gegründeten British Freedom Party (BFP) zusammen. Die versucht den Erfolg der freiheitlichen Parteien in Österreich und den Niederlanden zu kopieren und in das europäische Netzwerk von Geert Wilders, zu dem auch die deutsche Partei „Die Freiheit“ gehört, aufgenommen zu werden.

Eine Zusammenarbeit von EDL und Britain First ist bisher jedoch nicht in Aussicht. Von der Ausdifferenzierung im rechten Spektrum könnte vor allem die UK Independence Party von Nigel Farage (JF 3/12) profitieren. Bei den Europawahlen hat sich die Partei bereits mit 16,5 Prozent der Stimmen und 13 Abgeordneten im Europaparlament als zweitstärkste Kraft im Land noch vor den regierenden Liberaldemokraten und der sozialdemokratischen Labour-Party etabliert. Im Unterhaus ist sie wegen des gültigen Mehrheitswahlrechtes allerdings noch nicht vertreten. Außerhalb der konservativen Partei sind Farage und seine Mannschaft weit vor der BNP die stärkste einwanderungskritische Kraft.

Foto: Nick Griffin: Der Vorsitzende der British National Party steht parteiintern wegen zweifelhafter Personalentscheidungen seit Monaten in der Kritik

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