© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/12 24. Februar 2012

Kaffee und Kekse für die Polizei
Dresden: Weil Rechtsextremisten auf Demonstrationen verzichten, überlassen Sicherheitsbehörden den Linksextremisten das Feld
Paul Leonhard

Ganz Dresden war am Abend des 18. Februar erleichtert: Der Tag war friedlich verlaufen. Und das, obwohl mehr als 8.000 Menschen in zwei großen Demonstrationen durch die Stadt gezogen waren. Sie wollten verhindern, daß NPD und rechte Kameradschaften an diesem Tag wie im vergangenen Jahr ihr „Recht auf Gedenken“ einforderten. Allein, es fanden aus diesem politischen Spektrum keine Veranstaltungen statt, und es reisten auch keine Rechtsextremisten an. Dafür war Dresden von „Antifaschisten“ aus ganz Deutschland überschwemmt, die gegen „sächsische Verhältnisse“ protestierten. Die Polizei schätzte ein Drittel der Demonstrierenden als gewaltbereit ein.

Trotzdem wird der Einsatz in Dresden von der Deutschen Polizeigewerkschaft in Sachsen ausführlich gewürdigt: „Auch am 18. Februar waren wieder Kundgebungen und Demos in Dresden angekündigt. Zwischen 9 und 20 Uhr konnten wir wieder viel Kaffee, Tee und Kekse an die unterschiedlichen Einsatzkräfte aus Sachsen, Niedersachsen, Bremen, Bayern und der Bundespolizei verteilen. Wir danken allen Beteiligten für eine ruhige Absolvierung dieses Tages.“

Ganz so ruhig, wie es die Gewerkschaft beschreibt, ging es allerdings nicht zu. Fotos zeigen Polizisten, die sich nur durch den Einsatz von Pfefferspray dem Andrang von linken Chaoten erwehren können. Insbesondere aus dem Umfeld des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ wurden Polizisten provoziert und angegriffen. Sieben Beamte wurden verletzt. Auch flogen Böller und Farbbeutel gegen die sächsische Staatskanzlei. Zu größeren Ausschreitungen kam es allerdings nicht, vor allem weil sich die Sicherheitskräfte streng an die von der Polizeiführung beschlossene defensive „Deeskalationsstrategie“ hielten. 23 Straftaten und fünf Festnahmen, das sei gar nichts, faßte dann auch Polizeidirektor Horst Kretzschmar, Stellvertretender Chef der Polizeidirektion Dresden, das Geschehen zusammen. Um Provokationen auszuweichen, seien seine Beamten weisungsgemäß auch schon mal einen Schritt zurückgegangen, sagte Kretzschmar und räumte ein: „Manche Einsatzführer hielten die Schmerzgrenze für überschritten.“

Bedenklich stimmt, daß die Polizeiführung von einer „unausgesprochenen Kooperation“ mit dem Bündnis „Dresden Nazifrei“ spricht. Denn dessen Aktivisten hatten stets betont, gegen genehmigte Demonstrationen von vermeintlichen und echten Rechtsextremisten auch rechtswidrige Blockaden anwenden zu wollen. Und sollten diese mangels Gegnern nicht notwendig werden, wollte man „kraftvoll“ auf angebliche Demokratiedefizite in Sachsen aufmerksam machen. Wenn Frank Richter, Moderator der „Arbeitsgruppe 13. Februar“ und Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, am Abend des 18. Februar bekräftigte, daß viele Menschen „ein friedliches Zeichen für die Demokratie und gegen Extremismus gesetzt“ hätten, übersieht er, daß Tausende dieser Demonstrationsteilnehmer Linksextremisten waren.

Je nach politischer Lesart haben die angeblich 1.500 beziehungsweise 6.000 Menschen, die am 18. Februar in die Dresdner Innenstadt gekommen waren, unter dem Motto „Dresden bekennt Farbe“ gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus oder aber auch gegen „staatliche Repression gegen Antifaschisten“(Junge Welt) protestiert. Daß jegliche Demonstrationen anläßlich des Jahrestages der Zerstörung ihrer Stadt durch angloamerikanische Bomben bei der Mehrheit der Dresdner unerwünscht sind, verdeutlichte unbeabsichtigt die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar: „Dieser Erfolg war nur möglich, weil bundesweit Tausende Menschen die Zivilgesellschaft von Dresden unterstützt haben.“ Daß es in der sächsischen Landeshauptstadt in den kommenden Jahren im Februar zu einem stillen Gedenken an die Opfer kommen wird, wie es sich Innenstaatssekretär Michael Wilhelm und die meisten Dresdner wünschen, darf getrost bezweifelt werden. Schließlich ist aus linker Sicht der angebliche Mythos, daß die Zerstörung Dresdens ein Kriegsverbrechen war, noch nicht zerstört.

Foto: Linksextremisten am vergangenen Sonnabend in Dresden: „Manche Einsatzführer hielten die Schmerzgrenze für überschritten“

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