© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

CD: Josef Hauer
Der Melos der Sprache
Sebastian Hennig

Musik mit Hölderlin“ heißt eine von dem Komponisten Steffen Schleiermacher initiierte Aufnahme mit Liedern- und Klavierstücken von Josef Matthias Hauer (1883–1959).

Vor Arnold Schönberg noch, der ihm ein Werk widmete, gelangte Hauer zu einer eigenen Ausprägung von Zwölftonmusik. Verschiedene Intentionen, dort Technologie zur musikalischen Ausdruckserweiterung, Entgrenzung, hier musikalischer Ausdruck der Sphären. Hauer sprach von „deuten“, nicht von komponieren. Folgerichtig gab es für ihn nur einen unteilbaren Tonsetzer und Interpreten, die, wie er, dessen ewige Sphärenharmonie, lediglich interpretieren. Ab 1937 stempelte Hauer neben seine Briefunterschriften den Hinweis „Der geistige Urheber und (trotz vielen Nachahmern!) immer noch der einzige Kenner und Könner der Zwölftonmusik“.

Nach dem Anschluß Österreichs wurde Hauer unter die Entarteten sortiert und ihm die Ehrenpension der Stadt Wien aberkannt. Doch Hauer ließ nicht ab von seiner ästhetischen Kosmologie. Sein heftigstes Manifest entstand im Dezember 1941. Auf dem Titelblatt steht zu lesen: „Dieses Testament der hehren Kunst wurde für Staatsmänner verfaßt.“

Kurz vor dem Weltkrieg wurde Hauer von einem Freund auf Hölderlins Dichtungen aufmerksam gemacht und hat seitdem fast ausschließlich dessen Verse vertont. Durch die schöne Idee, die Hölderlin-Musiken in den Mittelpunkt zu stellen, wird die ganze Entwicklung Hauers nachvollziehbar. Die beiden frühen Zyklen sind ganz farbig und illustrieren Sprachbilder. Sie enthalten noch Tempo- und Dynamikangaben. Ein Lied wie „Vanini“ könnte ebensogut von Hugo Wolf stammen, dessen Mäzenatin Gertrud Köchert sich auch Hauers annahm.

Bei den späteren Liedern kommt dann den Interpreten eine hohe Verantwortung zu. Die Darbietung des Tenors Holger Falk mit der Klavierbegleitung von Steffen Schleiermacher ist frei von der unsinnigen Monotonie des Avantgarde-Kitsches. Der Sänger berichtet im Beiheft: „Ich hörte einige Lieder und fand statt der Ambivalenz, die ich im Notentext vorfand, eine Interpretation, die ganz auf eine introvertierte, meditativ gemeinte Gleichförmigkeit des Singens setzte. Das stand ganz im Gegensatz zu meiner Auffassung und spornte mich an, Hauer lebendig auszudrücken.“ Um wie vieles mehr dadurch dem Autor der Lieder Gerechtigkeit widerfährt, läßt eine Äußerung in einem späten Filmgespräch erahnen: „Das Thema ist etwas Ideologisches. Die Musik hat kein Thema. Sie wächst wie eine Blume.“

Ganz der gleichen Meinung ist Steffen Schleiermacher, der zitiert Hauers spärliche Angaben: „Der Vortrag der Lieder richtet sich genau nach der Sprache des Dichters. Die rhythmische Gliederung ist nicht als Takt aufzufassen, sondern als Versmaß. Der musikalische Ausdruck ist dem Melos der Sprache abgehorcht.“

Schleiermacher folgert daraus ganz richtig: „kultivierte Langeweile (sei) mitnichten gemeint.“ So ist die Interpretation auch eine berührende Wiederbegegnung mit Sinn und Klang von Hölderlins Sprache. Und der begeisterten Einspielung ist es nachzusehen, daß im Lied „Des Morgens“ die Birke in eine Buche verwandelt wird.

Josef Matthias Hauer: Musik mit Hölderlin-Liedern MDG – Musikproduktion Dabringhaus und Grimm, 2011 www.mdg.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen