© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

Berlin ist das deutsche Griechenland
Haushaltspolitik: Angesichts der europäischen Schuldenkrise ist der Streit um den Länderfinanzausgleich neu entbrannt
Paul Rosen

Eine schwarz-grüne Gemeinsamkeit hat sich beim Geld herausgebildet. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sieht bei den Milliarden-Zahlungen des Freistaates in den Länderfinanzausgleich die „Schmerzgrenze erreicht“. Sein westlicher Nachbar, der grüne Stuttgarter Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach von einem „absolut bescheuerten System“. Die schwarz-grüne Allianz, zu der sich auch noch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) zählt, löckt den Stachel wider Berlin: Dort kassierte die schwarz-rote Landesregierung 2011 rund drei Milliarden Euro vom Steueraufkommen des reichen Südens der Bundesrepublik.

Damit will vor allem Bayern Schluß machen. Söder und sein Chef Horst Seehofer drohen mit einer erneuten Verfassungsgerichtsklage gegen den Länderfinanzausgleich. Klagen gab es bereits mehrere, Urteile auch. Am Grundprinzip hat sich nichts geändert. Da das Grundgesetz die Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse in Deutschland vorschreibt, muß es einen finanziellen Ausgleichsmechanismus geben. Dazu gehört, daß reichere Länder einzahlen und die ärmeren unterstützen. Der Länderfinanzausgleich hat dazu geführt, daß etwa Baden-Württemberg bisher 49,9 Milliarden Euro einzahlte, Hessen 45,9, Bayern 34,9 und Hamburg 11,7 Milliarden Euro. Nordrhein-Westfalen steht wegen seiner industriellen Vergangenheit mit Kohle, Stahl und Maschinenbau noch auf der Zahlerseite (16,8 Milliarden), ist aber längst auf der Empfängerseite zu finden. Im vergangenen Jahr flossen 223,5 Millionen Euro an Rhein und Ruhr zurück.

Unter den Empfängern führt die Hauptstadt Berlin einsam mit bisher erhaltenen 45,4 Milliarden Euro, mit weitem Abstand gefolgt von Nieder-sachsen (22,4), Sachsen (17,3), Rheinland-Pfalz (11,5), Bremen (10,5), Sachsen-Anhalt (10), Thüringen (9,7), Schleswig-Holstein (9,2), Brandenburg (9,2), Mecklenburg-Vorpommern (7,6) und dem Saarland (6,6).

Gewisse Annehmlichkeiten gerade in Berlin führen im Süden regelmäßig zu Aufregung: So kritisieren CSU-Politiker, daß die Hauptstadt keine Studiengebühren erhebt, und auch die Kindertagesstätten sind gebührenfrei. Aber nicht nur in Berlin wird gerne Geld ausgegeben oder auf Einnahmen verzichtet. Nord-rhein-Westfalen erhöhte den Landesetat 2012 um drei Milliarden und auch die Neuverschuldung. „Nordrhein-Westfalen sollte lieber Schulden abbauen, als ständig neue zu machen“, stöhnt Söder.

Die Ursachen der Finanzmisere sind seit langem bekannt und werden nach dem Ökonomen Adolph Wagner (1835 - 1917) als „Wagnersches Gesetz“ bezeichnet. „Danach steigen die Staatsausgaben stets schneller als die Einnahmen. Selbst wenn der Staat Geld wie Heu hat, gibt er immer noch mehr aus“, erläutert der FDP-Bundestagsabgeordnete Marco Buschmann. Der bayerische Finanzminister Martin Zeil (FDP) will daher das Übel an der Wurzel packen. Er schlägt einen „Schulden-Soli“ vor. Das würde bedeuten: In Ländern wie Berlin würde ein Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben, damit diese Länder höhere Einnahmen zur Schuldenreduzierung nutzen können. „Schon die Androhung eines Schulden-Soli wird die Damen und Herren disziplinieren, für die sich Regieren im Geldausgeben erschöpft. Denn sie könnten die höchst unangenehmen Folgen der eigenen Politik endlich nicht mehr auf andere abwälzen. Eintreiben müßten sie die Außenstände bei den eigenen Landeskindern“, erläuterte Zeil in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seinen Vorschlag, der nach seinen Worten bedeuten würde: „Schluß mit kostenlosem Studium, Aus für kostenlose Krippenplätze.“

Allerdings gibt es ein Problem: Wenn vier Länder zahlen und zwölf kassieren, dann wird diese Mehrheit wenig Neigung verspüren, etwas an den Verhältnissen zu ändern. Zumal auf die Neidpropaganda des Südens bereits ähnliche Paukentöne der Empfängerländer folgten.

Ändern wird sich vermutlich in den nächsten Jahren nichts, was Buschmann folgerichtig als „Tyrannei der Mehrheit“ beschreibt. Dennoch können Lehren aus dem deutschen Finanzausgleichssystem für Europa gezogen werden. Geldkoffer in den armen europäischen Süden zu schicken löst das Euro-Problem nicht.

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