© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

Obiora Ike fordert die Christen Deutschlands auf, endlich aufzuwachen
Der schwarze Pontifex
Martin Lohmann

Er redet den Europäern gerne ins Gewissen. Charmant und unmißverständlich. Denn ihm ist es nicht egal, daß es vielen hier egal ist. Er kann nicht fassen, daß ausgerechnet in seiner deutschen Zweitheimat viele einfach wegschauen. Unsere Gleichgültigkeit gegenüber dem Haß und der Wut in seiner Heimat machen ihn traurig und wecken in ihm heiligen Zorn. Wer ihn fragt, bekommt deutliche Ansagen: „Afrika liegt vor eurer Haustür! Wer wegschaut und meint, die Vertreibung der Christen aus Nordnigeria ginge ihn im satten Europa nichts an, der sündigt!“ Obiora Ike spricht Klartext – grundsätzlich.

Seine durchaus harten Worte sind um so eindrucksvoller, weil er eigentlich ein sanftmütiger Mensch ist, der weder Hoffnung noch Mut verliert. Und obwohl die radikal-islamische Boko-Haram-Sekte in den letzten zehn Jahren zahllose nigerianische Christen niedergemetzelt hat, sucht er in christlichem Selbstbewußtsein dennoch das Gespräch mit dem Islam. Denn dieser, so sagt er fast schon verblüffend verständnisvoll, sei siebenhundert Jahre jünger als das Christentum. Und es sei nun mal so, daß Jugend Fehler mache, sich verirre. Die Christen müßten trotz allem zur Vergebung bereit sein, „ihre auf Christus gegründete Altersweisheit exemplarisch vorleben“.

Obiora Ike, 55, ist Menschenrechtler, Professor und katholischer Priester im Land am Niger. Und irgendwie auch Europäer. Er studierte in Innsbruck und Bonn Theologie, ist Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt – und spricht neben Igbo viele Sprachen, auch Deutsch.

Ike verkörpert die Vitalität des christlichen Glaubens in Afrika mit ansteckender Faszination einer geradezu unverschämten Gottgeborgenheit. Er weiß christliche Entflammtheit mit intellektueller Nüchternheit zu verbinden. Wenn er die Christen in Deutschland auffordert, aus dem Schlafe aufzustehen und endlich wieder missionsaktiv zu sein, oder wenn er mit Blick auf Nigeria versichert, die „Märtyrer stoppen keinesfalls die Frohe Botschaft; sie bringen sie vielmehr zur Blüte“, dann verblüfft er und irritiert wohltuend. Entschlossen, aber ohne Eifer.

„Obi“, wie ihn seine Freunde nennen, spricht von einem „moralischen Vakuum der Menschheit“ und einem „eklatanten Mangel an Gottvertrauen“. Das alles führe zum „gefährlichen Verlust von wahrer Identität und des Glaubens an die edlen Werte des Lebens“, ja zu einer globalen Krise. Kein Wunder, denn dieser Mann ist nicht nur Seelsorger, sondern auch Präsident des Club of Rome Nigerias. Er ist so etwas wie die Inkarnation des Hinweises, Afrika sei ein Kontinent der Sonne und der Hoffnung. In Obi begegnet man dem puren Leben: Er ist ein lichterfüllter schwarzer Pontifex, ein Brückenbauer zwischen den Kontinenten.

 

Martin Lohmann veröffentlichte zusammen mit Obiora Ike das Buch „Wende Dein Gesicht zur Sonne“.

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