© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/12 17. Februar 2012

Ungarn und Europa
Solidarische Grüße nach Budapest
Klaus Hornung

Die Erinnerung geht zurück zu jenen Novembertagen 1956, als unser im Jahr 2004 verstorbener Freund Carl Gustaf Ströhm, der damals als junger Reporter in Ungarn arbeitete, unserem Tübinger Kreis täglich am Telefon über den Einmarsch der Sowjettruppen aus erster Hand berichtete.

Die Ungarn waren damals die Vorhut im Kampf gegen die Sowjetunion in Osteuropa, der später dann auch die Polen und Tschechen folgten. 1989 waren es erneut die Ungarn, die als erste den Stacheldraht des Eisernen Vorhangs durchschnitten – als Ouvertüre des Sturzes des Sowjetsystems bald darauf.

Auch jetzt ist es wieder die Mehrheit dieser stolzen Nation, die gegen die Anmaßungen einer neuen Nomenklatura in Brüssel rebelliert, jetzt einer finanzkapitalistischen, die ihre linksliberal-„antifaschistischen“ Vorstellungen von Demokratie als die einzig verbindlichen durchsetzen will. Da kann der Protest der Ungarn im Namen ihrer tausendjährigen Geschichte nicht ausbleiben, der Prostest der europäischen Tradition und Identität gegen den geschichtslosen Geist in Brüssel, der aus allen Ritzen der dortigen Betonarchitektur lugt und von dem Burn-out-Syndrom Kunde gibt, von dem der nachdenkliche Klaus Schwab, der Initiator des Davoser Wirtschaftsforums, in diesen Tagen selbstkritisch als der eigentlichen Ursache der heutigen Europakrise sprach.

Tatsächlich wird Europa ohne das Selbstbewußtsein seiner Nationen, besonders derer im Osten, der Ungarn, Polen und Balten, keine Zukunft haben. Sie sind deshalb als Vorbilder für die anderen im Westen und Süden so wichtig, wenn Europa nicht in einem „Melting Pot“ von Konsumenten und Produzenten seine Prägung und moralische Kraft vollends verlieren soll, als den es sich viele aus der globalen Oligarchie wünschen.

Die Regierung Orban repräsentiert die Traditionen ihres Landes, die auch die besten Traditionen Europas sind. Ihr Konflikt mit der historisch in vielerlei Hinsicht blinden Brüsseler Kommission ist daher so symptomatisch; Anlaß genug, dem Volk der Stephanskrone unsere solidarischen Grüße zu senden in der Gemeinsamkeit der europäischen Geschichte und nicht zuletzt in der Erinnerung an 1956 und 1989.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaft an der Universität Hohenheim.

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