© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

Auf zum Roten Planeten
Trotz Finanzkrise bleibt der Mars ein politisches Renommierobjekt der Raumfahrtnationen
Joachim Feyerabend

Am 21. Juli 2011 landete die letzte US-Raumfähre „Atlantis“ auf der Landebahn 15 des Kennedy-Space-Centers in Florida. Damit endete die dreißigjährige Ära der Space-Shuttle-Flüge der Nasa. Ein Großteil der hochqualifizierten Spezialisten wurden entlassen. Tausende Familien in Cape Canaveral, Cocoa Beach oder Titusville verloren ihr Auskommen Das erklärt, warum der US-Präsidentschaftsbewerber Newt Gingrich versprach, daß er im Falle seines Wahlsieges bis 2020 eine Mond-Kolonie gründen wolle. Das dürfte wohl Utopie bleiben wie ein Einzug des Republikaners ins Weiße Haus. Doch schon immer diente die Raumfahrt nicht nur Militär und Wissenschaft, sondern sie hatte auch immer propagandistischen Motive.

Während den USA das Geld ausgeht, rücken andere Nationen nach. Das Rennen der Weltmächte zum Mars ist in vollem Gang. Die Marssonde „Phobos Grunt“ ist zwar abgestürzt, gleichwohl plant Rußland zusammen mit der europäischen Weltraumbehörde Esa einen neuen Anlauf und will nach 2020 auf dem Mond sogar eine bemannte Station errichten. Aber vor allem drängt China, ins All. Und im Zeichen knapper Kassen wird vermehrt auf globale Zusammenarbeit gesetzt – rein amerikanisch, wie Gingrich meint, wird kaum noch etwas sein. Welcher „Marsonaut“ setzt als Erster seinen Fuß auf den faszinierenden Trabanten unserer Sonne, der schon im Altertum die Fantasie der Menschheit glühen ließ? Die Stadt Kairo (altarabisch Al Qahira für Mars) verdankt ihm ihren Namen, für Babylonier, Römer und Griechen symbolisierte er die Kriegsgötter. Futuristische Bücher und Filme schürten Invasionsängste vor den grünen Männchen.

Doch seit dem 15. Juli 1965 hat sich mit der US-Sonde Mariner 4 der Spieß gedreht: Raumvehikel der Menschen kamen dem Planeten nahe und schossen Fotos, umkreisten später unseren Nachbarn im Raum, der US-Erkundungsrover „Sojourner“ holperte über seine Oberfläche. Bald sollen die Vehikel Bodenproben sammeln und zur Erde schicken. Bereits 1971 hatte mit dem sowjetischen Flugkörper „Mars 3“ erstmals ein menschengemachter Flugapparat weich auf seiner Oberfläche aufgesetzt.

Die „Spione“ sendeten gestochen scharfe Bilder des sogenannten Wüstenplaneten, dessen rötliche Färbung der Verwitterung von Eisenmetallen zu verdanken ist, über die Distanz von 228 Millionen Kilometern zur Erde. Um dorthin zu gelangen, mußte aber die mit 10.800 Stundenkilometern Geschwindigkeit reisende Esa-Sonde „Mars Express“ mit dem Erkundungsfahrzeug „Beagle 2“ an Bord in einer Schleife rund 400 Millionen Kilometer zurücklegen. Scharfe Bilder vom Mars waren das Ergebnis, die geplante Landung des Marsfahrzeuges Beagle schlug fehl. Beagle antwortete nicht und ist wahrscheinlich zerschellt.

Die Raumexplorateure stellten inzwischen immerhin das Vorhandensein von Wasser fest, insbesondere an den Polkappen, eine unverzichtbare Voraussetzung für menschliche Aktivitäten auf dem sturmumtobten Planeten. Die Esa glaubt an einen bemannten Flug etwa im Jahr 2033, die USA wollen laut Präsident Barack Obama Mitte der 2030er Jahre soweit sein, bemannt den Planeten zu umfliegen, die Landung indes soll später erfolgen. Rußland entwickelt ungeachtet der jüngsten Pannen einen atomar getriebenen Antrieb für Raketen. Indien peilt die Zeitmarke 2050 in Zusammenarbeit mit einer anderen Raumfahrtnation an. Alle aber erwarten sich einen gewaltigen Innovationsschub.

Ein entsprechender Film des Wissenschaftssenders Discovery Channel zeigt unter Mitarbeit von 275 Experten, wie eine solche Mission mit Landung, Erkundung und Rückkehr zur Erde aussehen könnte. Allerdings existieren längst kostengünstigere Pläne. Und sie sehen den Flug älterer Wissenschaftler ohne Rückkehr vor, ein „One Way Ticket“ zum Mars. Zwischen 400 und 1.000 Freiwillige haben sich bereits gemeldet, auch aus Deutschland.

Ein kühner Traum, ein ehrgeiziges Projekt und eine ähnliche Herausforderung wie jene des ersten Mondfluges durch die USA, er nimmt Gestalt an. Das hätte sich vermutlich Sigmund Jähn, der erste deutsche Kosmonaut, nicht träumen lassen, als er am 26. August 1978 mit Sojus 31 zu 125 Erdumkreisungen im Wetteifer der Großmächte um die Vorherrschaft im All startete.

Waren es früher in den Zeiten des Kalten Krieges die USA und die Sowjet­union, die miteinander wetteiferten, so hat sich der Kreis inzwischen erweitert: China strebt an die Spitze der Raumfahrtnationen, die Russen planen mit der Esa einen neuen Kraftakt, Indien meldet Ansprüche an und auch die Japaner haben sich bereits an dem ehrgeizigen Rennen beteiligt. Nicht weniger als 30 erfolgreiche von 46 gestarteten Erkundungen haben bereits stattgefunden, von „Mars 1“ der Russen (Abflug 1962, Ankunft 1963) über „Mariner 7“ der Amerikaner (1969), „Nozomi“ aus Japan (1998 bis 2003 Ankunft), bis „Mars Express“ der Europäer (2004 bis 2007). Fünf Sonden auf dem Mars sind noch aktiv. Mit neuer Spitzentechnologie will China die USA ausstechen.

Unterwegs sind derzeit das extrem aufwendige US-Vehikel „Curiosity“und „Yinghuo-1“ (Leuchtkäfer) der Chinesen. Beide sollen in diesem Jahr noch ankommen. Japanische Pläne sind nach den erlittenen Katastrophen der jüngsten Vergangenheit schwer einzuschätzen. Sicher ist, daß das Land der aufgehenden Sonne in der Raumfahrt weiter eine Schlüsseltechnologie für seine künftige Entwicklung sieht.

Im asiatischen Raum indes ist China ohne Zweifel längst Führer im prestigeträchtigen Rennen. Und viele Experten sagen dem Reich der Mitte schon jetzt auch eine baldige Vorreiterrolle in der Welt voraus, nicht zuletzt wegen des Einsatzes seiner immensen finanziellen Reserven. Denn ein schwer kalkulierbarer Faktor für den bemannten Marsflug bleiben die Kosten. Wurden sie anfangs mit bis zu 380 Milliarden Euro angegeben, so liegen inzwischen weit günstigere Berechnungsmodelle um die 70 Milliarden Euro vor. Aber selbst das wäre noch hundertmal soviel, wie ein Space-Shuttle-Flug gekostet hat.

 

Die ersten Deutschen im Weltraum

„Ich bin sehr glücklich darüber, als erster Deutscher an diesem bemannten Weltraumflug teilnehmen zu dürfen“, sagte Sigmund Jähn, der kommenden Dienstag 75 Jahre alt wird, im August 1978 stolz in der Fernsehübertragung seines Aufenthaltes in der sowjetischen Raumstation Saljut 6. Im März des selben Jahres waren bereits der Tscheche Vladimír Remek und der Pole Mirosław Hermaszewski im Rahmen des Interkosmos-Programms mit Sojus-Raumschiffen ins All geflogen. 1982 kam dann Jean-Loup Chrétien als erster Franzose ins Weltall – mit einem Sojus T-6 zur vergrößerten Station Saljut 7. Erst 1983 durfte mit Ulf Merbold (der wie Jähn aus dem Vogtland stammt) ein Deutscher mit dem Sojus-Konkurrenten Space Shuttle in eine Erdumlaufbahn. Merbold flog damit zum europäischen Spacelab und war damit zugleich der erste Nicht-US-Bürger auf einem amerikanischen Raumflug. Im August 1988 dockte dann der afghanische Kosmonaut Abdul Ahad Momand mit Sojus TM-6 an der sowjetischen Raumstation Mir an – nur ein halbes Jahr später mußte die Sowjetarmee Afghanistan verlassen.

Europäische Weltraumorganisation Esa www.esa.int

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