© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/12 10. Februar 2012

„Man muß versuchen, die Masse hochzureißen“
Sebastian Maaß’ Gesprächsband mit dem nonkonformen Publizisten und „nationalen Dissidenten“ Hans-Dietrich Sander
Nils Wegner

Um den „nationalen Dissidenten“ Hans-Dietrich Sander ist es seit der Einstellung seiner zuletzt nur noch im Internet erschienenen Staatsbriefe im Jahre 2007 sehr still geworden. Zwar sorgte die Publikation seines umfangreichen Briefwechsels mit Carl Schmitt unter dem Namen „Werkstatt-Discorsi“ in der Edition Antaios 2008 noch einmal für Beachtung in der konservativen Presse (JF 12/09), doch legte sich auch dieser Wellenschlag schnell wieder.

Für neues Aufsehen wird zweifelsohne der jüngst im Kieler Regin-Verlag erschienene Gesprächsband „Hans-Dietrich Sander: Im Banne der Reichsrenaissance“ sorgen. Darin hat der junge Tübinger Historiker Sebastian Maaß, der bisher vorwiegend durch die ebenfalls im Regin-Verlag erschienenen Kieler Ideengeschichtlichen Studien zu Denkern der Konservativen Revolution von sich reden machte, einen ausgedehnten Dialog mit Sander über diverse Aspekte seines Lebens und Wirkens vorgelegt.

Angefangen von Sanders Aufwachsen in der mecklenburgischen Provinz als Sohn eines Bahnbeamten und einer Köchin, über seine marxistischen Gehversuche in Ost-Berlin und die Zeit als Journalist für die Welt Hans Zehrers, schließlich endend mit seinem Dasein als „nonkonformistisch-nationaler“ Paria und einsamer Streiter für eine Wiederbelebung der ghibellinischen Reichsidee.

So bemüht sich das mit knapp 125 Seiten sehr schmal geratene Buch, eine Skizze der Lebensgeschichte Sanders zu vermitteln, und wird diesem Anspruch auch durchaus gerecht. Die vor allem auf geistige Hintergründe und die Prozesse des publizistischen Betriebs abzielenden Fragen Maaß’ werden mal knapp, mal ausführlich beantwortet. Zusätzlich sind seine Auskünfte mit zahlreichen persönlichen Anekdoten angereichert, die den Erinnerungsstrom auflockern und dem Leser mehr als einmal ein Schmunzeln abtrotzen können.

Diese Auflockerung ist um so willkommener angesichts der oftmals bitteren Episoden in Sanders beruflicher Laufbahn, ob es sich dabei um die ideologisch motivierten Intrigen innerhalb der Welt-Redaktion, die resignierte Vereinsamung etlicher Weggefährten wie Bernard Willms oder um die Versuche, ihn selbst juristisch mundtot zu machen (JF 29/97), handelt. Auch wohnt etlichen seiner Seitenhiebe auf publizistische Kollegen eine erhebliche Sprengkraft inne, gerade bei der von Sander geargwöhnten Allgegenwart der Geheimdienste: Springer-Funktionär Ernst Cramer soll im Dienste der CIA neuaufkeimende nationale Triebe in der Schreiberzunft unterdrückt haben, und Marion Gräfin Dönhoff habe, wie auch Armin Mohler, nebenbei für den Bundesnachrichtendienst gewirkt.

Die Enttäuschung über viele prominente Angehörige der nachkriegsdeutschen Presselandschaft ist Sander noch immer deutlich anzumerken, auch wenn (oder gerade weil) er sich inzwischen – von regelmäßigen Beiträgen im Periodikum Neue Ordnung des Grazer Ares-Verlages abgesehen – gänzlich aus der Publizistik zurückgezogen hat. Stattdessen widmet er sich nun wieder wissenschaftlicher Arbeit. Nach dem literaturwissenschaftlichen Werk „Herbert Cysarz: Bild und Begriff“ von 2006, das jedoch von der „germanistischen Zunft“ lautstark beschwiegen wurde, liegt sein Hauptaugenmerk jetzt auf der Vervollständigung seines ursprünglich als Habilitationsschrift geplanten Staatstheoriebuchs „Das Gastmahl des Leviathan“. Zu diesem liefert Sander im vorliegenden Buch bereits eine faszinierende Zusammenfassung, die auf eine letztendliche Publikation dieses Mammutwerks hoffen läßt.

Abschließend betrachtet, so Sander, bereue er nichts in seinem Leben. Er habe, in Anbetracht der Umstände, „den deutschen Geist verkörpert“, indem er „radikal und weltoffen“ gewesen sei. Es sei „nie sinnlos, Gedanken in die geistige Sphäre einzuspeisen“ – im Kampf für eine „Aufhebung der geistigen Knechtschaft der Deutschen“ dürfe man sich der Masse nicht beugen, „man muß versuchen, sie hochzureißen“. Ein Ansinnen, das mit diesem kontroversen Gesprächsband fortgeführt wird.

Sebastian Maaß: „Im Banne der Reichsrenaissance“. Gespräch mit Hans-Dietrich Sander. Regin-Verlag, Preetz 2011, broschiert, 128 Seiten, 14,95 Euro

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