© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Inventur bei den Rittersleut
Das Europäische Burgeninstitut erfaßt Burganlagen entlang der Rhein-Donau-Linie in einer Internetdatenbank
Joachim Feyerabend

Der Austausch von Wissen und Kultur, von kostbaren Handelswaren, wie etwa den Spezereien des Orients, von Literatur und Musik sowie medizinischen Erkenntnissen, er stützte sich im gar nicht so finsteren Mittelalter auf eine in der Welt einmalige Kette von Burgen in Europas Kernlandschaften an Rhein und Donau.

Durch Zerstörung und Zerfall ist dieses europäische Kulturerbe bedroht. Seit 1999 bemühen sich nun Historiker, dieses Erbe durch eine umfassende und grenzüberschreitende Analyse des Burgenbestandes in einer Datenbank zu sichern und das Arbeitsgebiet auch auf Bayern und Baden-Württemberg auszudehnen.

Von den Niederlanden, dem Oberen Mittelrheintal über die Wachau, von Wien über den Neusiedler See und bis Budapest sicherten die Adelsmänner ihren Besitzstand mit – je nach Größe des Geldsäckels – mächtigen Bergfrieden oder schlichten Wehrtürmen. Sie markierten zugleich die wichtigsten Handelsstraßen zu Lande oder auf dem Wasser.

Die trutzigen Anlagen sind teils gut erhalten, teils nur noch als Mauerreste oder Erderhebungen vorhanden. Dieses Kulturgut zu schützen, zu katalogisieren, zu kartographieren und der Öffentlichkeit bewußt zu machen, bemüht sich das europäische Projekt Ebidat, eine jetzt auch im Internet abrufbare Burgendatenbank des 1999 ins Leben gerufenen Europäischen Burgeninstituts in Braubach auf der Marksburg.

Die Marksburg selbst stammt aus der Zeit zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert, ist die einzige nie zerstörte Höhenburg am Mittelrhein und wurde von der Unesco mittlerweile zum Weltkulturerbe erklärt. In diesem Gebiet thronte einst alle 2,5 Kilometer eine Festung auf Bergrücken oder an Flüssen. Die meisten der heute zu besichtigenden Festungen jedoch sind Neubauten aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Denn im Dreißigjährigen Krieg und später im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 wurden viele zerstört, andere verfielen durch Aufgabe der Nutzung.

Ihre Wiedergeburt verdanken sie dem Zeitalter der Romantik, in dem etwa Rheinstein, Stolzenfels oder Katz und Maus restauriert wurden. Einzig die Marksburg und Pfalzgrafenstein überstanden die Zeitläufe unverändert – Perlen für den geschichtlich interessierten Besucher, Wanderer und Touristen.

Sie können sich dort auf dem sogenannten Burgenlehrpfad zwischen Schloß Philippsburg und der Marksburg auf 14 Tafeln einen Einblick in die Welt der Burgen verschaffen. Von der EU finanziell gefördert, haben Wissenschaftler aus mehreren Ländern die Informationen akribisch zusammengetragen und durch Text und Bild dokumentiert. Die Arbeiten des Instituts sind indes längst nicht abgeschlossen. Es gilt immerhin, insgesamt zwischen 25.000 und 30.000 Objekte zu erfassen. Mit 1.464 Burgen, davon 1.081 in Deutschland, ist bisher nur ein Bruchteil in der Datenbank verzeichnet.

Das Europäische Burgeninstitut wird von der Deutschen Burgenvereinigung getragen, der als Präsident Alexander zu Sayn-Wittgenstein-Sayn vorsteht. Partner sind das Institut für Realienkunde in Krems und die Universität Budapest, das niederländische Stichting Kastelenlexicon in Wijk und die Archäologischen Institute der Tschechischen sowie der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Prag beziehungsweise Nitra.

www.ebidat.de

Foto: Ruine der Nürburg in der Eifel: Die Fluchtburg steht auf einem Vulkan-Basalt-Kegel und wurde erstmals im Jahre 1166 urkundlich erwähnt

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