© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Grüße aus San Francisco
In der Sackgasse
Elliot Neaman

Sie betrachten uns als ihren Spielplatz“, erklärte die desillusionierte Bürgermeisterin von Oakland, Jean Quan angesichts der Eskalation der Gewalt im Zuge der selbsternannten „gewaltfreien“ Occupy-Wall-Street-Demonstration am Wochenende, bei der mehrere Polizisten verletzt und über 300 Demonstranten in Gewahrsam genommen wurden.

Verkehrte Welt? Mitnichten.Bereits im Dezember hatten sich die Occupisten mit der Besetzung des Hafens in der nordkalifornischen Stadt nahe San Francisco in eine ideologische Sackgasse verrannt. Sie legten den Betrieb lahm, verursachten Verluste in Höhe von acht Millionen Dollar und zwangen Tausende von Menschen, die Arbeit ruhen zu lassen. Erzürnt erklärte ein Lkw-Fahrer: „Die Occupy-Leute behaupten, daß sie für 99 Prozent der Bevölkerung sprechen, aber in Wirklichkeit mißachten sie unsere Arbeit. Wenn sie gegen die ein Prozent Reichen protestieren wollen, sollen sie das doch bitte im Banken- und Finanzviertel tun.“

Die Occupy-Bewegung schien in vielerlei Hinsicht als eine Neuauflage der Studentenproteste der 1960er Jahre. Die Besetzung von Universitätsgebäuden nahm zu Beginn jenes Jahrzehnts hier in Berkeley ihren Anfang und fand schnell Nachahmer überall in den USA und dann in der ganzen Welt. Beide Bewegungen engagierten sich für Ziele, die breite Unterstützung in der Bevölkerung genossen. In den 1960er Jahren kämpften die Studenten für Bürgerrechte und gegen den Vietnamkrieg. Die Occupy-Bewegung begann im Sommer 2011 als mutmaßlicher Protest gegen die Macht der großen Banken, die 2008 die Finanzkrise auslösten und dann mit Hilfe von Steuergeldern vom Staat gerettet wurden, während Millionen von Menschen ihre Häuser und Arbeitsplätze verloren.

Doch anders als das 1967 gegründete „National Mobilization Committee to End the War in Vietnam“, das Hunderttausende aus allen Schichten mobilisierte, haben sich der Occupy-Bewegung mittlerweile hauptsächlich militante Aktivisten, Obdachlose und allerlei Mitläufer mit zweifelhaften Motiven angeschlossen. Daß sie überhaupt auf die Idee kamen, Tausende von Arbeitskräften um ihren Lohn zu bringen, zeugt von ideologischer Verwirrung. Sowohl die jüngste Gewalt als auch die Hafenaktion waren in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Vor allem vor dem Hintergrund, daß im Hafen keine Überseefracht für Großkonzerne abgefertigt wird, sondern einheimische kalifornische Produkte.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen