© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Stammtisch statt After-Work-Party
Bayern: An der CSU-Basis regt sich immer vernehmlicher Widerstand gegen den Modernisierungskurs der Parteiführung
Hinrich Rohbohm

Das Grummeln in der Union wird lauter. Während sich in der CDU der Widerstand gegen den Linkstrend in der Partei weiter formiert, mehren sich auch in der CSU die skeptischen Stimmen. Die Schwesterpartei galt vielen in der Union als letzte Heimat für Konservative, seit die CDU-Führung sich entschlossen hatte, als „moderne Großstadtpartei der Mitte“ eine kontinuierliche Annäherung an rot-grüne Politik zu betreiben und mit diesem Konzept nach wie vor von Wahlniederlage zu Wahlniederlage eilt. Doch an der CSU-Basis sehen das längst nicht alle mehr so. Bei der Landtagswahl im September 2008 waren die Christsozialen von 60,7 auf 43,4 Prozent abgestürzt. Ein Tief, aus dem sie bis heute nicht herausgekommen sind.

Auf ihrem Parteitag im Oktober vorigen Jahres ließ die CSU-Führung mit Peter Gauweiler ein Aushängeschild der Konservativen bei der Wahl zum stellvertretenden Parteivorsitzenden über die Klinge springen. 2010 peitschte der Landesvorstand gegen heftige Widerstände der Delegierten die Frauenquote auf Landes- und Bezirksverbandsebene durch. Nun steht die Einführung der Frauenquote auf Orts- und Kreisverbandsebene an. „Da wird es starken Widerspruch von der Basis geben“, kündigt Thomas Jahn, stellvertretender Vorsitzender des CSU-Ortsverbandes Kaufbeuren und Gründer der Initiative „Die echte CSU“ an. Die aus rund 300 enttäuschten CSU-Mitgliedern bestehende Gruppe will „dem gesunden Menschenverstand“ in der Partei „wieder eine kräftige Stimme verleihen“ und der Basis mehr Gehör verschaffen. Jahn glaubt, daß der Linkskurs der CDU auch auf die CSU übertragen werden soll. Derzeit gebe es drei verschiedene Kategorien von Politikern, die das Bild bei den Christsozialen prägen. Da sind zum einen die sogenannten Reformer, die für mehr Einwanderung, Klimaschutz, Euro-Rettung, Einheitsschule und Frauenquote stehen. Zum anderen gebe es den traditionellen Flügel, der diesen Themen ablehnend gegenüberstehe, sich mehr Basisnähe und eine Rückbesinnung der CSU auf ihre politischen Wurzeln wünscht. Zu ihnen gehören neben den älteren Parteigängern zahlreiche Vertreter aus den Reihen der Jungen Union. Die dritte Kategorie bestehe aus Karrieristen, denen der Kurs ihrer Partei im Grunde egal sei und deren Kraftanstrengungen dem eigenen politischen Aufstieg dienten. Zu letzterer Kategorie gehören inzwischen auch die Netzwerke der Landesvorsitzenden der Frauen Union, Angelika Niebler. 2005 hatte sie ein sogenanntes „Mentoring-Programm“ ins Leben gerufen. Ein „Tool“, wie Niebler es nennt, von dem sich Frauen einen „Mehrwert“ versprechen. In Seminaren bekommen sie dabei das Handwerkszeug zum Berufspolitiker vermittelt und die Ellenbogen für den Aufstieg gestählt. Man trifft sich in der „Lounge in the City“ und auf „After-Work-Partys“, um das persönliche Karriere-Netzwerk zu pflegen.

Entwicklungen, die etwa in der Großstadt München auch auf einigen CSU- Stammtischen und Dämmerschoppen wahrzunehmen sind. Da trifft man die angehende Diplomandin, die sich über mangelnde Karrierechancen beklagt und bemängelt, daß so wenig Frauen in Führungspositionen sitzen. Ihr gegenüber sitzt dann das über 80 Jahre alte CSU-Urgestein, das früher auf Strauß-Veranstaltungen Ordnerdienst schob und so manchen Demonstranten eigenhändig vor die Tür setzte. Einer, der schon in den fünfziger Jahren die Wahlplakate für die CSU klebte, wie er sagt. Und der sich noch im hohen Rentenalter für die kleinen Leute einsetzt.

Leute wie er sind es, denen die im nächsten Jahr stattfindende Landtagswahl angesichts des sogenannten Modernisierungskurses Sorgen bereitet. Viele an der Basis denken ähnlich. „Wenn wir so weitermachen, könnte es eng werden“, meint ein Ortsvorsitzender aus München. „Kann sein, daß wir dann wohl doch mal in die Opposition müssen“, orakelt ein CSU-Mitglied aus Kulmbach. „Der Seehofer macht schon einen guten Job“, stimmt hingegen ein Mittelständler mit runder Brille und Schnauzbart versöhnliche Töne in Richtung Parteiführung an. Aber: „Seine ständigen Richtungsänderungen sind für uns immer schwieriger nachzuvollziehen.“

Dagegen sind die Sympathien für Karl-Theodor zu Guttenberg ungebrochen. Besonders in seinem Heimatwahlkreis Kulmbach. „Die anderen Parteien sollen mal nicht so scheinheilig tun“, sagt dort eine Mittfünfzigerin und überzeugte CSU-Wählerin, die sich fragt, was wohl alles herauskommen würde, wenn man die Doktorarbeiten rot-rot-grüner Politiker so akribisch untersucht hätte. „Ein ehemaliger Außenminister hat früher auf Polizisten eingeprügelt und durfte im Amt bleiben. Ja, wo sind wir denn hier?“ empört sie sich. Den Kampfgeist der Frau könnte die CSU derzeit gut gebrauchen.

Foto: Traditionelles CSU-Wahlplakat: Viele wünschen sich eine Rückbesinnung auf die politischen Wurzeln

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