© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/12 03. Februar 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Adlers Absturz
Paul Rosen

So schnell wie sie begann, endet die Karriere von Sabine Adler im Deutschen Bundestag. Die Rundfunkjournalistin geht zum Deutschlandfunk (DLF) zurück. Zurück bleiben völlig überraschte Kollegen und ein beschädigter Bundestagspräsident Norbert Lammert, der die frühere Leiterin des DLF-Hauptstadtbüros im vergangenen Sommer in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ohne jede Ausschreibung zu seiner neuen Pressesprecherin gemacht und die Personalie schon vor Zustimmung der Gremien per Pressemitteilung verkündet hatte (JF34/11).

Über die Eile des CDU-Mannes Lammert, die „von der SPD protegierte Sprecherin“ (Süddeutsche Zeitung) an seiner Seite zu installieren, war viel spekuliert worden. Als wahrscheinliche Ursache war ein Zeichen des Präsidenten gesehen worden, das er an die Sozialdemokraten in der Hoffnung auf SPD-Unterstützung bei einer eventuellen Neubewerbung um das zweithöchste Staatsamt senden wollte. Denn auf Angela Merkel kann Lammert spätestens nicht mehr zählen, seitdem er die Euro-kritischen Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) und Klaus-Peter Willsch (CDU) gegen die Staatsräson im Bundestag reden ließ. Zuvor hatte Lammert die Kanzlerin bereits wegen seines Beharrens auf Mitbestimmungsrechten des Parlaments genervt.

Zurück bleibt jetzt auch eine über die Personalie Adler rätselnde CDU/CSU-Fraktion. Viele Abgeordnete konnten nicht nachvollziehen, warum der Präsident eine Journalistin zur Sprecherin machte, die ihren Beruf zu DDR-Zeiten an der Universität Leipzig erlernte. Die Journalistenausbildung dort war als „Rotes Kloster“ bekannt. Nur linientreue junge Menschen durften dort studieren.

Für den Präsidenten wurde die Personalie Adler erst peinlich und dann ärgerlich. Auf seinem Jahresempfang stellte er die Journalistin in der vergangenen Woche noch als seine neue Sprecherin vor, obwohl die meisten Teilnehmer zu dem Zeitpunkt bereits gewußt haben dürften, daß Adler auf dem Abflug war. Jedenfalls war sie an dem Abend Schwerpunktthema an allen Tischen und Theken. Es hieß, daß sie von der vielen Verwaltungsarbeit nach kurzer Zeit die Nase voll gehabt habe. Offenbar hatte die taz zur Berufung von Adler mit der Bemerkung, diese sei eine „blendend vorbereitete, mitunter resolute Organisatorin“, unbegründet Vorschußlorbeeren verteilt – so wie sich die Linken stets gegenseitig hochzuschreiben pflegen. Kurz danach wurde Lammert von der Bild-Zeitung auf Seite 1 als „Verlierer“ abgestempelt, weil er nach so kurzer Zeit seine Sprecherin verlor. Das dürfte dem Westfalen, der sich so gern im Glanz der Zustimmung von Medien und Bevölkerung sonnt, gar nicht gefallen haben. Die Flucht seiner Sprecherin hat auch Lammert beschädigt.

Ein linker Hochjubler wie Hans Peter Schütz von stern.de kommt jetzt in Erklärungsnot. Er hatte Adler anläßlich ihrer Berufung als „scharfsinnig-charmante Interpretin der deutschen Politik“ gewürdigt und hätte jetzt seiner Leserschaft eigentlich Adlers Absturz zu erklären, die von ein paar Meter Akten so heillos überfordert war.

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