© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/12 27. Januar 2012

Hinter dem Vorhang
Manöverbeobachtungen der Nato in der DDR
Karl-Heinz Kuhlmann

Der ehemalige NVA-Soldat Guntram König hat ein weiteres interessantes Buch zur Wahrnehmung und Geschichte der Nationalen Volksarmee der DDR herausgegeben, das diesmal die Manöverbeobachtungen und Inspektionen der KSZE-Staaten von 1987 bis 1990 zum Thema hat.

Diese besonders im Ostblock alles andere als gern gesehenen Blicke auf militärische Großübungen wurden als vertrauensbildende Maßnahmen aufgrund der Erklärungen von Stockholm auf den Territorien der beiden Militärblöcke durchgeführt und mündeten letztendlich in die Auflösung des Warschauer Paktes. Neben den detaillierten 22 Berichten und über 130 Fotos von diesen Inspektionen ist besonders das Vorwort von Admiral a.D. Theodor Hoffmann, des letzten Ministers für Nationale Verteidung und Chefs der NVA (bis 15. September 1990), hervorzuheben.

Wer sich ein Bild über die bis heute vorherrschende Meinung hoher Militärs der NVA zur Entwicklung des Spannungsverhältnisses zwischen Ost und West nach 1945 – landläufig als „Kalter Krieg“ bezeichnet – machen will, wird hier fündig. Der Rezensent, der als Militärpfarrer zusammen mit dem Leiter des Sanitäts-Ausbildungszentrums 800 der Bundeswehr Anfang 1990 den Regimentsstab des Mot.-Schützenregiments „Thomas Müntzer“ in Mühlhausen besucht hat und dort die ungebrochene Vorstellung vom Beitrag der NVA sowie des Warschauer Militärbündnisses „zum Erhalt des Friedens“ gegen einen angriffsbereiten westlichen Kapitalismus vorfand, findet bei Hoffmann ähnliche Argumente.

Sie gehören wahrscheinlich zur unaufgebbaren Selbstrechtfertigung einer langen Militärkarriere in einer mit Zusammenbruch der DDR unrühmlich endenen Armee. Daß damit die Nato und der Westen freizusprechen seien, verbietet sich anhand der US-Militärpolitik seit 1990, die kaum der Verbreitung der Friedensbotschaft diente, was aus späterer Perspektive wohl noch deutlicher werden wird. So offenbart schließlich die Geschichte des Mauerbaus heute auch andere Aspekte, als sie 1961 und direkt danach propagiert wurden. Oder wer hätte in den sechziger Jahren das stille Einverständnis des Westens in diese mit der sowjetischen Besatzungsmacht abgestimmte Aktion geahnt.

Guntram König (Hrsg): Kontrollierte Feindschaft. Manöverbeobachtungen und Inspektionen 1987–1990. Helios Verlag, Aachen 2012, gebunden, 181 Seiten, 23 Euro

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