© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/12 27. Januar 2012

„Größe ist, was wir nicht sind“
Preußen-Jubiläum: Ein Berliner Kolleg des Instituts für Staatspolitik zum 300. Geburtstag Friedrichs II.
Detlef Kühn

Das Andenken an Friedrich den Großen, dessen 300. Geburtstags in dieser Woche ganz besonders und darüber hinaus im Jahr 2012 beinahe weltweit gedacht wird, ist eine Herausforderung nicht zuletzt für Konservative. Das Institut für Staatspolitik (IfS) hat sich ihr am vergangenen Wochenende mit seinem 20. Berliner Kolleg in eindrucksvoller Weise gestellt. Vier hochkarätige Vorträge vor rund 150 Hörern beschäftigten sich mit König Friedrich II. von Preußen, dem Großen, wie er schon zu Lebzeiten genannt wurde.

IfS-Geschäftsführer Erik Lehnert („Kann ein König heute Vorbild sein?“) widmete sich Friedrich als selbst philosophierendem Herrscher und der Bewertung seiner Herrschaft durch die Philosophen der Aufklärung im 18. Jahrhundert, die dabei besonders auf die Abschaffung der Folter unmittelbar nach seinem Regierungsantritt und sein gesetzgeberisches Werk im Preußischen Allgemeinen Landrecht abhoben.

Dirk Reitz beleuchtete die Rolle Friedrichs als Kriegsherr, Feldherr und General im Schlesischen und im Siebenjährigen Krieg im Vergleich mit dem Prinzen Eugen von Savoyen und Napoleon I., zwei weiteren großen Gestalten der Militärgeschichte vor ihm und nach ihm. Bei aller möglichen Kritik im einzelnen an seinen militärischen Entscheidungen kam Reitz doch zu dem Ergebnis, daß Friedrich als Truppenführer und Taktiker seine gegnerischen Zeitgenossen überragte und damit letztlich Preußens Stellung als Großmacht in Europa dauerhaft begründete.

Der Chemnitzer Historiker Frank-Lothar Kroll sprach über den Mythos Friedrichs des Großen. Schon der junge Friedrich betrachtete „Nachruhm (als) die wahre Unsterblichkeit der Seele“, eine Erkenntnis, die sicherlich mit christlichem Glauben nicht zu vereinbaren ist. Der „Alte Fritz“ hat sie nicht wiederholt; dennoch wurde sein Nachruhm später immer wieder politisch instrumentalisiert, bis hin zu Joseph Goebbels, der noch im April 1945 auf ein erneutes „Wunder des Hauses Brandenburg“ wie 1762 hoffte.

Auch die Führung der dem Untergang entgegentaumelnden DDR versuchte in den achtziger Jahren an den immer noch lebendigen Mythos von Friedrich dem Großen zur Stabilisierung ihrer Herrschaft anzuknüpfen, nachdem sie anfangs in „Friedrich Zwei“ nur den „Militaristen“ und „Feudalherrscher“ gesehen hatte.

In seinem abschließenden Vortrag („Größe ist, was wir nicht sind“) würdigte Karlheinz Weißmann „Friedrich als großes Individuum“. Das derzeitige öffentliche Interesse an ihm sei doch häufig nur oberflächlich, rügte der Historiker. Viele Meinungsführer interessierten sich eigentlich nur für Friedrichs sexuelle Orientierung – sicherlich die unwichtigste Frage bei seiner Einordnung in die europäische Geschichte. In dieselbe Richtung ziele auch die Tendenz, Friedrich neuerdings auf der Bühne oder im Film von Frauen darstellen zu lassen, meinte Weißmann.

Es versteht sich, daß – bei aller Dichte der Vorträge der kompetenten Referenten – im Rahmen des Kollegs nicht annähernd alle Aspekte des Wirkens Friedrichs des Großen in seiner langen Regierungszeit eingehend behandelt werden konnten. Der Verwalter Friedrich, der sich selbst als „ersten Diener seines Staates“ verstand, wurde ebenso wie der Träger der „inneren Kolonisation“ (zum Beispiel im Oderbruch) nicht näher betrachtet. Aber das kann ja in dem langen Friedrich-Jahr 2012 noch nachgeholt werden. Die Kartoffeln, die immer wieder auf Friedrichs Grab im Park von Sanssouci zur Erinnerung an den Mann niedergelegt werden, der den flächendeckenden Anbau von Kartoffeln in Preußen durchsetzte, beweisen in rührender Form, wie populär diese Maßnahme noch heute ist. Dem Institut für Staatspolitik ist jedenfalls ein respektabler Einstieg in das Preußen-Jahr gelungen.

Kontakt: Institut für Staatspolitik, Rittergut Schnellroda, 06268 Steigra, Telefon/Fax (Büro Berlin): 030 / 75 54 98 78 www.staatspolitik.de

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