© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Hier kommt Cord
Cord hat sich gemausert – von der Proletentracht zur modischen Signatur konservativer Lebensart
Werner Becker

Lange galt sie als häßliche Schwester der schicken Jeans, jetzt ist sie die modische Signatur konservativer Lebensart: die Cordhose. Der anhaltende Retrokult in der Modebranche hat sie wieder ins Gespräch gebracht. Wo Designer vor ein paar Jahren noch exquisite Stoffe und schrille Muster bevorzugten, kommen die Kreativen nun auf schlichte Bekleidung zurück. Dafür bietet der wärmende und langlebige Cordstoff beste Eigenschaften.

„Feste Gewebe mit Rippen, die durch die Struck- und Hohlschuß-Bindung entstehen“, definiert das Internetlexikon (www.stofflexikon.de) das Textil, das in Deutschland auch unter dem Namen „Manchester“ bekannt ist. In der Mutterstadt der Textilindustrie wurde es bereits im 19. Jahrhundert in Massenproduktion hergestellt. Trotz niedriger Preise galt der Stoff qualitativ als hochwertig und strapazierfähig. Ideale Kluft für die Arbeitermassen des Industriezeitalters. „Poor man’s velvet“ – Samt der armen Leute – nannte es Catherine Horwood in ihrem Buch „Worst Fashions: What we shouldn’t have worn ... but did“ (2005).

Überhaupt kommt die Cord- oder Manchestermode reichlich englisch daher. So gibt es im angelsächsischen Sprachraum mehrere „Corduroy Clubs“, die das Verständnis und das Bewußtsein für das typisch britische Gewebe mehren wollen. Die deutsche Vorstellung des englischen Landadels im Tweedsakko und in der Cordhose mag Pate gestanden haben für die konservative Vereinnahmung des ursprünglich proletarischen Textils. Daß Cord – eine Kurzform des englischen „corduroy“ – einst Königsmode war, wie die französische Übersetzung „corde du roi“ nahelegt, gehört allerdings eher ins Reich der Legende oder der Volksetymologie.

Die Rückkehr der Cordhose in die Modewelt kann niemand leugnen. Rustikale Zimmermannshosen – jedermann bekannt von den Handwerkergesellen auf der Walz – tragen heute nicht nur Baufachleute, sondern auch modebewußte Männer. „In dieser Saison ist er sowohl in der Frauen- als auch in der Männermode sehr angesagt und darf daher in keinem Kleiderschrank fehlen“, heißt es in Sylts größtem Modehaus H.B. Jensen. Auf dem Blog des Hauses in Westerland finden sich Pflegetips für den Baumwollstoff, der möglichst nur umgekrempelt und bei 30 bis 40 Grad in die Waschmaschine sollte.

Cord ist ein Gewebe der unbegrenzten Möglichkeiten, es kann in allen Farben und Formen zugeschneidert werden – als Hose, Krawatte, Jackett, Rock oder Weste. Der Fachmann unterscheidet nach der Zahl der Rippen auf zehn Zentimetern Stoff zwischen grobem Kabelcord (bis 10 Rippen), robustem Trenkercord (benannt nach der Bergsteigerlegende Luis Trenker mit 10 bis 25 Rippen), klassischem Manchestercord (25 bis 40 Rippen) und feinem Babycord (mehr als 40 Rippen). Manche Hersteller setzen wie bei der Jeans auf eine Optik mit Gebrauchsspuren, die sich Antikcord nennt. Auch Stretchcord für eine figurbetonte Bekleidung stellt mittlerweile keine Herausforderung für die Bekleidungsindustrie dar.

Große Labels wie Brunello Cucinelli bieten in ihrer neuen Winterkollektion Cordjacketts zu vierstelligen Preisen an. Auch britische Marken wie Barbour oder Charles Robertson haben immer Cordkleider in ihren Kollektionen. Die Cordverehrer sterben nie aus: Wie die FAZ berichtete, feierte in New York der dortige Cord Club unlängst einen Cord-Ehrentag mit einem Sonderhosenmodell, das auf 111 Paar limitiert war.

Foto: Bodenständig und robust: Eine Cargohose aus Cord (Eddie Bauer) für authentische Naturerlebnisse

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