© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Endlich am Ziel
Friedrich der Große und die Odyssee seines Leichnams, der erst 1991 seine letzte Ruhe fand
Egon W. Scherer

Es dauerte genau 205 Jahre, bis Friedrich der Große seine letzte Ruhestätte dort fand, wo er sie, testamentarisch festgelegt, finden wollte – auf den Terrassen von Schloß Sanssouci bei Potsdam. Prinz Louis Ferdinand von Preußen, Chef des Hauses Hohenzollern, ließ den großen Ahnherrn an seinem Sterbetag, dem 17. August 1991, dorthin überführen. Aber bis dahin hatte der Sarg mit dem toten König einen weiten Weg zurückgelegt.

Als Friedrich II. von Preußen am 17. August 1786 starb, ließ sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. ihn nicht, wie gewünscht, neben seinen geliebten „Windspielen“, seinen Hunden, in Sanssouci bestatten, sondern verfügte die Beisetzung des Königs neben seinem ungeliebten Vater, dem „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I., in der Potsdamer Garnisonkirche. Die auf Veranlassung Friedrichs auf den Schloßterrassen angelegte Gruft blieb ungenutzt, weil der Nachfolger diese Ruhestätte eines Königs nicht für würdig befand.

In der Potsdamer Garnisonkirche fand der König lange seine Totenruhe. Hier stand 1806 nach der preußischen Niederlage bei Jena und Auerstedt Napoleon am Sarkophag Friedrichs und sprach die verbürgten Worte: „Wenn der noch lebte, stünde ich nicht hier.“

Viele Kriege später, inmitten des Zweiten Weltkriegs, ließ die Reichsregierung die Särge der Könige aus der Kirche 1943 in einen bombensicheren Bunker des Hauptquartiers der Luftwaffe in Potsdam-Eiche schaffen, um sie vor der Zerstörung bei einem der jetzt ständig auf das Reich stattfindenden Luftangriffe zu bewahren. Tatsächlich bewährte sich dieser Schritt, da mit der späten Vernichtung der Potsdamer Innenstadt am 15. April 1945 neben der Garnisonkirche auch die Grablege zerstört worden wäre.

Kurz zuvor, im März 1945, folgte die zweite Etappe der „Flucht der Könige“. Inzwischen hatten die Russen die deutschen Ostprovinzen überrannt, drängten Amerikaner und Briten im Westen über den Rhein, lag das Reich in Agonie. Die toten Preußenkönige in Potsdam waren nicht mehr allein, neben ihren Särgen standen die des einstigen Generalfeldmarschalls und letzten Weimarer Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und seiner Frau. Im Januar 1945, als die Sowjets in Ostpreußen eindrangen, hatte die Wehrmacht sie beim Rückzug aus dem Tannenberg-Denkmal herausgeholt und auf den Weg nach Potsdam gebracht. Aber auch hier konnten diese geschichtsträchtigen Särge nicht bleiben. Der russische Großangriff auf die Reichshauptstadt war nur noch eine Frage der Zeit. Die Rote Armee aber sollte die teuren Toten auf keinen Fall erbeuten.

Hitler selbst verfügte die Verbringung dieser „nationalen Reliquien“ in ein sicheres unterirdisches Versteck in Thüringen. Ein Offizierskommando besorgte unter strengster Geheimhaltung den Abtransport der in große Kisten verpackten Särge der Preußenkönige und Hindenburgs in das Salzbergwerk Bernterode im Eichsfeld, wo sie in einem abgelegenen Stollen, 500 Meter tief, abgestellt wurden. Allerdings erreichten nur wenig später feindliche Truppen auch diesen Ort, nur waren es nicht Russen, sondern Amerikaner, die zunächst Thüringen besetzten, um es Anfang Juli 1945 vor den Sowjets, denen Thüringen als Teil ihrer Besatzungszone zufiel, wieder zu räumen. Als die wenigen eingeweihten deutschen Offiziere des Sonderkommandos, die sich inzwischen in alliierter Gefangenschaft befanden, von dieser Rückzugsabsicht erfuhren, offenbarten sie sich ihren Bewachern und verrieten das Geheimnis um die „Schätze“ im Bergwerks-stollen von Bernterode.

Die Amerikaner reagierten wie erhofft, bargen die Särge der Preußenkönige und des Ehepaars Hindenburg und nahmen sie bei ihrem Abzug aus Thüringen mit in die eigene Besatzungszone, wo sie erst einmal im Keller des Staatsarchivs in Marburg an der Lahn, dem damaligen „Central Collecting Point“ der amerikanischen Militärregierung, untergestellt wurden. Nach langen Versuchen der Amerikaner, einen anderen Bestattungsort für die prominenten Toten zu finden, wurde schließlich bei der Kirche angefragt, die letztlich für Tote zuständig sei. Die Amerikaner wünschten, daß die Särge würdig und zugleich so beigesetzt würden, daß sie nicht zum Mittelpunkt nationalistischer Heldenverehrung werden könnten. Also erfolgte im August 1946 in aller Stille, jedoch im Beisein von beiderseitigen Familienangehörigen, die Beisetzung dieser geschichtlich so bedeutenden Gestalten in der evangelischen Elisabethkirche in Marburg, – die der Hindenburgsärge im Untergeschoß des Nordturms und die der Preußenkönige im Südchor. Die Särge der Könige wurden in den Boden versenkt und mit Sandsteinplatten abgedeckt.

Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, den einstmals nicht weniger als 3.824 deutsche Städte und Gemeinden zum Ehrenbürger ernannten, und seine Frau Gertrud Wilhelmine liegen noch heute im „Marburger Dom“ begraben. Für Friedrich den Großen und seinen Vater aber brachte das Jahr 1952 die Verlegung ihrer Ruhestätte auf Burg Hohenzollern bei Hechingen, die Stammburg des alten Herrschergeschlechtes. Dem Umzug der Sarkophage ging ein monatelanges juristisches Tauziehen voraus, da der Kirchenvorstand in Marburg auf Wahrung der Totenruhe pochte und den Hohenzollern die Königssärge nicht herausgeben wollte. In der Nacht zum 28. August 1952 aber wechselten sie den Standort und waren nun jahrelang in der Christus-Kapelle der Burg unter preußischen Fahnen öffentlich ausgestellt.

Das Haus Hohenzollern ließ allerdings nie einen Zweifel daran, daß auch diese Grablege der großen Könige nur ein Provisorium sei, und daß es das Endziel bleibe, die Könige wieder nach Potsdam zu bringen. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands war es dann soweit, daß der inzwischen 83jährige Prinz Louis Ferdinand von Preußen sein Versprechen erfüllen konnte, das Testament des großen Ahnherrn Friedrich zu vollstrecken. Der „Alte Fritz“ wurde nun endlich in Sanssouci bestattet, sein Vater Friedrich Wilhelm I. fand seine letzte Ruhestätte in der Potsdamer Friedenskirche, denn die Garnisonkirche existiert nach Sprengung durch die DDR-Machthaber nicht mehr. Unklar ist noch, ob der Soldatenkönig zum geplanten Einweihungsgottesdienst der wiederaufgebauten Garnisonkirche zum 500. Jahrestag der Reformation am 31. Oktober 2017 an seine ursprüngliche Grablege zurückkehren wird.

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