© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/12 20. Januar 2012

Lockerungsübungen
Respekt für Zulieferer
Karl Heinzen

Bereits vor einigen Jahren waren deutsche Discounter in die Kritik geraten, weil sie unmenschliche Arbeitsbedingungen in Zulieferländern wie Bangladesch in Kauf nähmen, um ihren Kunden Schnäppchenpreise für Textilien bieten zu können. Eine Studie der „Kampagne für Saubere Kleidung“ hat nun zutage gefördert, daß alle reumütigen Erklärungen von Lidl, Aldi, Kik und Co., man würde für Besserung sorgen, offenkundig ohne Folgen geblieben sind. Näherinnen in Südasien müßten weiterhin bis zu 16 Stunden am Tag arbeiten – und dies zu Hungerlöhnen. Die Gesundheitsrisiken, denen sie durch ihre Betriebe aussetzt würden, seien alarmierend. In der Regel gebe es kein sauberes Trinkwasser und viel zu wenige – und dann auch noch verschmutzte – Sanitäreinrichtungen.

Die Handelsketten für diese Mißstände verantwortlich zu machen, ist allerdings unangemessen. Aus der Ferne können sie ihre Zulieferer nur davon in Kenntnis setzen, welche Sozialstandards sie gerne verwirklicht sähen. Allzu häufige Kontrollen indes würden die Kosten dramatisch erhöhen, so daß sich der Preisvorteil einer Produktion in Bangladesch aufhöbe und man genausogut auf Zulieferer in Europa ausweichen könnte. Sie widersprächen zudem dem Geist respektvoller Geschäftsbeziehungen zwischen Partnern auf Augenhöhe. Gerade Hersteller aus Entwicklungsländern sind sensibel zu behandeln, um den Eindruck zu vermeiden, man wollte sie bevormunden. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, daß die „Ausbeutung“ der Beschäftigten nicht nur deutschen Discountern und ihren Kunden, sondern auch einheimischen Unternehmern dient; sie fördert das Entstehen einer prosperierenden Ober- und Mittelschicht. Anders hätte die Marktwirtschaft auch in Europa einstmals nicht Fahrt aufnehmen können.

Vor allem aber sind die Bedürfnisse deutscher Verbraucher zu berücksichtigen, die sich teure Textilien schlichtweg nicht leisten können. Wer die Einkommens- und Vermögensunterschiede im eigenen Land nicht einebnen will, muß den Unterschichten wenigstens die Chance bieten, an der Ausbeutung anderer Länder teilzuhaben. Der Nationalsozialismus hat hierzu noch Krieg führen müssen. Demokratie und Marktwirtschaft können dies im Zeitalter der Globalisierung mit humaneren Methoden leisten.

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